Die Grundlagen des Fahrzeuginterieurs waren in den vergangenen Jahrzehnten eine verlässliche Konstante: Fahrersitz links vorne, sofern man nicht in Ländern mit Linksverkehr unterwegs ist. Daneben der Beifahrer und hinten der Fond für zwei bis drei Personen. Von Fahrzeuggeneration zu Fahrzeuggeneration wurde das Interieur etwas hochwertiger, die Sitze bequemer. Doch das Grundkonzept blieb. Damit ist es vorbei.
Denn das Konzept des Fahrzeugs selbst ändert sich fundamental: Bald muss nicht mehr der Mensch fahren, der Computer fährt ihn. Zeit für Bücher oder Büroarbeit. „Die Passagiere werden sich mehr Unabhängigkeit und mehr Möglichkeiten zur individuellen Ausgestaltung ihres Innenraums wünschen – inklusive nahtloser Konnektivität mit der Außenwelt“, erklärt Markus Uhlig vom französischen Zulieferer Faurecia. Eine positive Entwicklung für sein Unternehmen, denn damit wird der Innenraum wichtiger. Er wird zum Lebensraum.
Revolution im Interieur
Dominique Taffin, Leiter Industriedesign bei Yanfeng, spricht gar von einer „Interieurrevolution“, die „den Fahrer von den routinierten Abläufen beim Autofahren entlastet“. Der Fahrer muss laut Taffin „nicht mehr zwangsläufig vorn am Lenkrad sitzen, die Mittelkonsole sich nicht mehr statisch zwischen Fahrer und Beifahrer befinden“. Viel Freiraum für den Fahrer – und die Entwickler.
Ideen, wie dieser neue Freiraum genutzt werden kann, gibt es schon: Die Bedienflächen etwa sollen größer werden und sich dem Nutzer anpassen. Aber nicht nur hier ändert sich Grundlegendes, auch bei der Beleuchtung des Innenraums. Sie kann gar zum Signalgeber für andere Verkehrsteilnehmer werden, wenn sie anzeigt, dass ein Auto gerade autonom unterwegs ist, erklärt Otmar Rauchensteiner, Leiter der Interieur-Entwicklung bei Dräxlmaier. Dann hat Ambientebeleuchtung nicht mehr vorrangig dekorativen Charakter, sie wird vielmehr zur Funktionsbeleuchtung, so Rauchensteiner.
Weniger Knöpfe und Schalter
Der Fahrer der Zukunft soll auch nicht mehr in einem Meer von Knöpfen und Schaltern die Orientierung verlieren. Was gebraucht wird, könnte häufiger unter Leder- oder Dekoroberflächen verschwinden und nur im Bedarfsfall sichtbar werden. Dabei werde auch Glas als Material im Innenraum wichtiger, so der Dräxlmaier-Manager.
Mehr Integration wird es nach Einschätzung von Rose Ryntz, Leiterin der Vorentwicklung beim Zulieferer IAC, auch im Cockpit geben, vor allem mit Blick auf „elektronische Systeme und große, das Cockpit dominierende Displays“. Daimler etwa hat in seine neue E-Klasse zwei digitale Displays nebeneinandergepackt, die frei zu schweben scheinen.
Mittelmeer-Landschaft auf Wunsch
Mehr Spielraum bieten auch digital bedruckte, hinterleuchtete und transparente Oberflächen sowie animierte Dachhimmel und Seitenverkleidungen. Damit soll den Passagieren nicht nur ermöglicht werden, sich mit ihrem Fahrzeug zu vernetzen, sie sollen „das Interieur im Handumdrehen je nach Stimmung, Tageszeit und Geschmack verändern“ können, so Ryntz.
Die neuen Möglichkeiten enden auch nicht im Fahrzeuginnenraum: Autonome Autos könnten „über norddeutsche Straßen rollen, während sich die Passagiere fühlen, als würden sie geradewegs durch eine Mittelmeer-Landschaft fahren“, so die IAC-Managerin. 360-Grad-Experience-Umgebung heißt die entsprechende Technik.