Stille. In der Ferne klackt eine Hebeanlage, ab und zu dreht ein Elektromotor kurz auf, verstummt wieder. Wir stehen mitten in einer Automobilfabrik im Nordosten von England, doch das Poltern von Montagebändern mit tonnenschweren Blechen und das Zischen unzähliger Hydraulik-Roboter ist hier nicht zu hören. Hier werden Batterien gebaut. Und wir sind die ersten Journalisten, denen Nissan die Türen zum größten Lithium-Ionen-Batteriewerk Europas öffnet.
Kein Ölfilm auf den Maschinen, keine verdreckten Gabelstapler – das Batteriewerk erinnert mehr an ein überdimensioniertes medizinisches Labor. Einige Mitarbeiter mit weißen Overalls erinnern eher an Atomtechniker als an Fließbandarbeiter.
Vor dem Betreten der selbst für die meisten Nissan-Mitarbeiter streng abgeschirmten Halle steht eine umfangreiche Prozedur, denn wir wollen einen der größten Reinsträume Europas besuchen. Also runter mit den Straßenschuhen, rein in einen lückenlos verschlossenen Schutzanzug, darüber sind Handschuhe zu stülpen.
Verboten sind auch die wichtigsten Utensilien eines Reporters, Schreibblock und Kugelschreiber. Es gibt Spezial-Blöcke als Ersatz und besondere Stifte. „Die Flusen der Schreibblöcke würden unseren Betrieb auf Wochen lahmlegen“, warnt der Chef des Batteriewerks, Jeff Pratt. Mitsamt der dann notwendigen Grundreinigung würde das Nissan Millionen kosten.
Zuletzt geht es durch eine Schleuse, alle Besucher werden von einem kräftigen Luftstrom abgepustet, die letzten Schritte verlaufen auf einem klebrigen Boden, der die letzten Staubpartikel von den Schuhen nehmen soll. Im Innern des Batteriewerks herrscht ständig ein Überdruck, damit im Falle eines Schleusendefekts die schmutzige Luft von draußen nicht nach innen dringt.
Der Aufwand ist nötig, weil die offenen Lithium-Ionen-Batterien extrem empfindlich auf Staub und Feuchtigkeit reagieren.
Kritisch ist jedes Mal die Lkw-Anlieferung einer neuen Charge sogenannter „Mutterrollen“, Folien mit positiver oder negativer Polarität, die Anoden und Kathoden der künftigen Batterien. Dabei darf kein Staubkörnchen ins Werk geschmuggelt werden. Die Fertigung der Batteriepacks selbst erinnert an die Befüllung von Konservendosen. Sie ist weitgehend automatisiert, deshalb arbeiten im gesamten Batteriewerk schichtweise auch nur 316 Mitarbeiter. Zehn Packs werden derzeit pro Stunde produziert, womit insgesamt zehn E-Fahrzeuge pro Stunde unter Hochvolt-Strom gesetzt werden können.
Kosten noch nicht optimal
Besonders viel sei das bislang noch nicht, räumt auch Werkschef Pratt ein. „Die höchsten Kosteneinsparpotenziale haben wir in einer Optimierung der Prozesse“, erklärt er denn auch. „Und natürlich durch die Senkung der Materialkosten.“
In Sunderland werden zwei unterschiedliche Batterievarianten herstellt. Eine unbeheizte Version kommt in den Leaf, eine beheizbare Version in den Elektrotransporter e-NV200. Auch einige Leaf-Chargen für die nordischen Märkte erhalten die beheizbare Version. „Wenn häufigere Schnellladungen zu erwarten sind oder das Fahrzeug überwiegend in kälteren Regionen gefahren wird, ist ein Thermomanagement sinnvoll“, erläutert Pratt.
Eine Überraschung wartet bei der Eingangskontrolle der einzelnen Batteriezellen: Jede wird händisch von einem Mitarbeiter auf Unregelmäßigkeiten geprüft. „Das menschliche Auge ist immer noch das beste Instrument, um mögliche Fehler und überzogene Toleranzen zu entdecken“, sagt Pratt. Die erlaubten Toleranzen bewegen sich dabei im Mikrometer-Bereich.
Das Batteriewerk in Sunderland befindet sich auf dem gleichen Gelände wie das ungleich größere und ältere Werk für die Fahrzeugmodelle Qashqai, Juke, Leaf sowie Infiniti Q30 und QX30.
Vor einem Jahr entschied Nissan, auch die neue Batteriegeneration für seine Elektroflotte in Sunderland zu bauen. Dafür wurden rund 31 Millionen Euro in die bestehende Anlage investiert.
Nissan hatte rund 450 Millionen Euro investiert, um das Batteriewerk vor vier Jahren an den Start zu bringen. An zwei weiteren Standorten weltweit bauen die Japaner gemeinsam in einem Joint Venture mit NEC namens Automotive Energy Supply Corporation (AESC) Lithium-Ionen-Batterien.
Das Mutterwerk befindet sich in Zama bei Yokohama. Die fertigen Zellen werden in diesem Fall noch ins Hauptmontagewerk nach Oppama in Japan transportiert und dort zu kompletten Packs zusammengestellt. Ein zweites Batteriewerk existiert seit Ende 2012 in Smyrna im US-Bundesstaat Tennessee. Das dritte Werk in Sunderland ging Anfang 2013 in Betrieb. Die größte Jahreskapazität hat Smyrna mit 150.000 Packs, Oppama und Sunderland kommen jeweils auf 50.000 Packs.
Alle Ingenieure, die in Smyrna und Sunderland im Batteriewerk arbeiten, waren zuvor zwei bis drei Monate in Oppama, um den sicheren Umgang mit der Hochvolt-Technik und die nötigen Qualitätsstandards zu studieren. „Wer einmal Batterien gebaut hat, will nicht mehr in den Blechbereich zurück“, sagt Jeff Pratt, als wir durch die Luftschleuse zurückkommen – zurück in die „alte Welt“.