Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hat erneut beteuert, erst unmittelbar vor dem öffentlichen Bekanntwerden im September 2015 von den Abgas-Manipulationen erfahren zu haben. Erst am 19. September sei er über die "gravierende Fehlentwicklung" im Bilde gewesen, sagte der VW-Aufsichtsrat vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Abgas-Skandal. Konkrete Informationen über das ganze Ausmaß des Skandals habe es vorher nicht gegeben.
"Ich war tief betroffen. Ich hätte dergleichen bei Volkswagen nicht für möglich gehalten", sagte Weil. US-Umweltbehörden hatten am 18. September die Öffentlichkeit darüber informiert, dass VW in Millionen von Dieselfahrzeugen eine illegale Software installiert hat, die dafür sorgt, dass bei Tests deutlich weniger Schadstoffe ausgestoßen werden als im Alltagsbetrieb. Einen Tag später gab es dem früheren Konzernchef Martin Winterkorn zufolge eine telefonische Runde mit Führungskräften. Weil sagte, er habe von dem Problem aus dem Fernsehen, nicht von VW erfahren.
Weil sagte, gemeinsam mit Landes-Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der ebenfalls Mitglied im VW-Aufsichtsrat ist, habe er "an einer nachhaltigen Aufklärung von "Dieselgate" mitgearbeitet". Bisher sei dieser Prozess noch nicht abgeschlossen. "Es geht jetzt auch um die Prüfung von Haftungsansprüchen gegenüber Mitgliedern der Unternehmensorgane", sagte Weil. Vor Kurzem hatte es Berichte gegeben, der frühere Aufsichtsratschef Ferdinand Piech habe Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums früher informiert als bisher bekannt. Piech selbst hat zu den Berichten keinen Kommentar abgegeben.
EU-Experte: Schon 2007 auffällige Werte
Forscher der EU-Kommission haben schon vor zehn Jahren auffällig Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen gemessen. Unter anderem seien dabei die VW-Modelle Golf und Multivan, die Fiat-Modelle Scudo und Bravo sowie der Renault Clio und der BMW 120d aufgefallen, sagte der Leiter des Referats für nachhaltigen Verkehr, Alois Krasenbrink, vor dem Untersuchungsausschuss.
Bei den damals durchgeführten Messungen hätten sich für "praktisch alle Fahrzeuge" Abweichungen zwischen Herstellerangaben und realem Verbrauch gezeigt. Die Messungen hätten zwischen 2007 und 2010 stattgefunden, 2011 habe es einen Bericht zu dem Thema gegeben.
Konkrete Hinweise auf "betrügerische Absichten" habe es aber nicht gegeben. Krasenbrink sagte, er habe damals nichts von der Existenz von "Defeat Devices" gewusst. Stattdessen habe man an den eigenen Messverfahren gezweifelt. Ess habe aber an der nötigen Kompetenz gefehlt, den Grund für die Abweichungen festzustellen.
Der Untersuchungsausschuss soll klären, was die Regierung seit 2007 mit Blick auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfahren hat. (dpa/swi)
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