Im neuen Jahr wird das Geschäft für die Autobauer nicht einfacher werden. Elektromobilität und Digitalisierung erfordern weiterhin hohe Investitionen. Der VW-Konzern steht dabei vor besonderen Problemen, denn er muss quasi nebenbei noch die Folgen des Abgas-Skandals bewältigen.
Einen Trost gibt es für Matthias Müller und seine Mitarbeiter: Der Absatz ist bisher nicht stark gesunken, weder in Europa, wo die meisten betroffenen Autos unterwegs sind, noch in Amerika, wo der Betrug die schwersten finanziellen Folgen nach sich zieht oder im wichtigsten Markt China.
Die einzelnen Baustellen:
I. Prozesse in den USA
Auch wenn mit der kurz vor Weihnachten erfolgten Einigung zu den Sechszylinder-Motoren nun der finanzielle Schaden langsam absehbar ist – die Abgas-Affäre ist noch längst nicht ausgestanden. Zum einen gibt es weitere Klagen in den USA, zum anderen laufen auch in anderen Ländern Verfahren - so etwa in Südkorea, auch wenn die möglichen finanziellen Schäden dort nicht so groß sind wie in den USA.
II. E-Mobilität
Im April sollen in der Gläsernen Manufaktur in Dresden die ersten E-Golf von den Bändern laufen. VW verspricht eine Reichweite von 300 Kilometern. Das reicht zwar für die meisten Pendler, aber die magische Grenze, ab der die berühmte Reichweitenangst nachlässt, liegt bei etwa 500 Kilometern. Tesla hat für Ende 2017 sein Model 3 angekündigt, das 346 Kilometer schaffen soll und mit dem der amerikanische Hersteller der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen will.
Die General Motors Tochter Opel hat eine Neuauflage des Ampera - nun Ampera-e genannt - im Gepäck. Das Modell kommt schon im Frühjahr 2017 und soll mehr als 500 Kilometer Reichweite mitbringen. Die Konkurrenz ist also groß und da VW bisher nicht als Elektromarke in Erscheinung getreten ist, wird es auch einige Zeit brauchen, bis sich die Verbraucher an den Imagewandelt gewöhnt haben und die Fahrzeuge nachfragen.
VW hat - abgesehen vom nötigen Imagewandel in Folge des Dieselskandals - aber auch gar keine andere technologische Wahl. Will der Konzern die strengen CO2-Grenzwerte, die die Hersteller bis 2021 errreicht haben müssen noch schaffen, müssen deutliche mehr elektrische Modelle verkauft werden. Eine Prognose der internationalen Unternehmensberatung PA Consulting legt nahe, dass mehrere Hersteller, darunter auch Volkswagen, die Ziele nicht erreichen werden, wenn sie ihre Bemühungen in emissionsarme (oder sogar emissionsfreie) Fahrzeuge nicht verstärken. Nach aktuellem Stand der Technik und er Elektrifizierung der Flotte droht Volkswagen sonst eine Strafe von mehr als einr Milliarde Euro.
III. Vernetzung
Unter den Oberbegriff Vernetzte Mobilität fallen sowohl vernetzte Fahrzeuge, die sich untereinander vor Gefahren warnen, als auch Mobilitäts-Apps, bei der Kunden sich spontan entscheiden, ob sie Bus, Bahn, Taxi oder ein Carsharing-Fahrzeug benutzen wollen. Die klassischen Autohersteller müssen zu Mobilitätsdienstleistern werden, wenn sie nicht von Konkurrenten wie Google oder Uber abgehängt und zu reinen Zulieferern degradiert werden wollen.
Anfang Dezember hat der VW-Konzern seine 13. Marke Moia vorgestellt, unter der er die neuen Mobilitätskonzepte bündeln will, in erster Linie Fahrtendienste auf Abruf und zu einem späteren Zeitpunkt Sammel-Taxis-Shuttle-Services, die den öffentlichen Nahverkehr in Städten sinnvoll ergänzen sollen. Bis der Geschäftszweig profitabel arbeitet, werden jedoch sicher zwei bis fünf Jahre ins Land ziehen. Damit bleibt das Feld eine Investition in die Zukunft, hilft in der angespannten finanziellen Lage aber nicht weiter.
IV. Unternehmenskultur
Volkswagen ist in den vergangenen Jahrzehnten ein streng hierarchischer Konzern gewesen. Matthias Müller will nun eine neue Unternehmenskultur etablieren, in der Fehler erlaubt sind und Mitarbeiter Probleme ansprechen können, ohne um ihren Job fürchten zu müssen. Man brauche "weniger Stromlinienförmigkeit und mehr Querdenkertum", hieß es in einem Brief von VW-Chef Matthias Müller und Betriebsratschef Bernd Osterloh an die Mitarbeiter im Oktober 2015. Doch ein Kulturwandel braucht Zeit.
V. Profitabilität
Die Rendite der Kernmarke VW-Pkw hinkt schon seit Jahren hinter den Erwartungen her. Die hohen Straf- und Schadenersatzzahlungen im Zuge des Abgas-Skandals sowie die nötigen hohen Ausgaben für Elektromobilität und Vernetzung schmälern den Gewinn des Gesamtkonzerns auch in diesem Jahr weiter.
VI. Rückrufe in Europa
Am 21. Dezember hat das Kraftfahrt-Bundesamt die noch fehlenden Freigaben für die Umrüstung bestimmter Dieselmodelle erteilt. Damit kann der Konzern nun alle manipulierten Fahrzeuge in Europa nachrüsten. Die Rückruf-Aktion hinkt allerdings gewaltig hinter dem ursprünglichen Zeitplan her: Eigentlich wollte VW im Laufe des Jahres 2016 alle betroffenen Autos umrüsten. Weil die Freigaben des KBA insbesondere für den Passat auf sich warten ließen, hat sich der Prozess jedoch verzögert. Das Unternehmen geht aktuell davon aus, im Laufe des Jahres 2017 alle betroffenen Autos in Europa umrüsten zu können.
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