Im Abgas-Skandal gibt es neue Vorwürfe gegen die VW-Tochter Audi. Abgastests des Forschungszentrums Joint Research Center (JRC) der Europäischen Union haben unterschiedliche Abgaswerte bei verschiedenen Temperaturen ergeben, wie die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwoch) berichtet. Das ist ein Indiz für das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung, aber kein Beweis. Audi steht in der Affäre um manipulierte Abgaswerte bereits unter Druck. Die Marke hat die Sechszylinder-Dieselmotoren entwickelt, die mit Manipulationssoftware ausgerüstet sind und unter anderem bei den Schwestermarken Volkswagen und Porsche zum Einsatz kamen. Im Gegensatz zu den Vierzylinder-Dieseln gibt es für die Sechszylinder noch keine von den US-Behörden akzeptierte Umrüstlösung.
Zwei Indizien für Abschalteinrichtung
Das Kompaktmodell A3 gehört zu den wichtigsten Baureihen von Audi. Das untersuchte Dieselmodell der neusten Generation ist in die beste Schadstoffklasse Euro 6 eingestuft. Experten des JRC fanden im August 2016 zwei Indizien, die auf eine Abschalteinrichtung hinweisen. "Das stinkt mächtig nach Betrug, selbst bei den neuen Dieselmodellen", sagte der Europa-Abgeordnete Claude Turmes (Grüne).
Audi weist die Vorwürfe zurück. Es gebe "unabhängige Messungen", bei denen der A3 2.0 TDI mit der Schadstoffnorm Euro 6 "sehr gut abgeschnitten" habe. Zu den Tests des JRC habe der Autobauer keine Informationen. Die Ergebnisse des JRC ähneln denen, die Ermittler in den USA auf die Spur des Abgas-Skandals gebracht haben. Ein Auto der Schadstoffklasse Euro 6 darf höchstens 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen. Den Messungen zufolge liegt der Wert des A3 beim Kaltstart darunter, beim Warmstart mit 163 Milligramm allerdings um das Doppelte über dem Grenzwert. Bei einem Test bei zehn Grad Celsius lag der Wert mit 140 Milligramm ebenfalls sehr hoch.
Viele Hersteller nutzen das "Thermofenster"
"Wenn ein Fahrzeug auf dem Prüfstand deutlich höhere Werte beim Warmtest im europäischen Prüfzyklus hat als im Kalttest, dann ist der starke Verdacht, dass hier ein Defeat Device vorliegt, da dies technisch nicht zu erklären ist", sagt Axel Friedrich, Abgas-Experte und früherer Bereichsleiter im Umweltbundesamt. Eigentlich müssten die Emission beim Start mit warmem Motor niedriger sein, weil dann auch der Katalysator schon aufgewärmt ist.
"Wenn die Emissionen bei tieferen Temperaturen im gleichen Test erheblich höher sind, dann weist dies auf einen Temperaturschalter hin." Damit nutzen die Hersteller eine Gesetzeslücke: Die Abschaltungen von Abgasreinigungssystemen ist erlaubt, wenn dies zum Schutz des Motors notwendig ist. Eine Festlegung, ab wie viel Grad das der Fall wäre, gibt es aber nicht, weshalb zahlreiche Hersteller das sogenannte "Thermofenster" nutzen und die Abgasreinigung zum Teil schon bei Temperaturen unter plus 17 Grad Celsius abschalten.
Hat das KBA einen Test vergessen?
Die EU-Kommission prüft die neuen Testergebnisse eigenen Angaben zufolge noch. Sollte sie "zu einem gewissen Verdacht auf Missstände führen, zum Beispiel die Installation von verbotenen Defeat Devices, werden sie mit allen relevanten Typ-Genehmigungsbehörden geteilt". Bisher hat das JRC lediglich den Ausschuss informiert. Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat den A3 im Zuge des Abgas-Skandals ebenfalls getestet. In einem Bericht an die Untersuchungskommission, die Verkehrsminister Alexander Dobrindt eingesetzt hatte, schreibt die Behörde: "Dieses Fahrzeug... erfüllt die EU-6-Anforderungen". VW habe versichert, im A3 keine Abschalteinrichtung installiert zu haben. Das KBA hat diese Aussage eigenen Angaben zufolge "mit höchster Priorität... verifiziert, da diese Fahrzeuge der aktuellen Produktion entsprechen". Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge hat das KBA beim A3 aber einen wichtigen Test ausgelassen, nämlich den bei zehn Grad Außentemperatur.