Saarbrücken. Automatisiert fahrende Autos, bei denen der Fahrer nur noch gelegentlich selbst lenken muss, wird es laut einem führenden Wissenschaftler in Deutschland in fünf Jahren oder gar früher geben. Dies sagte der Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken, Professor Wolfgang Wahlster, der dpa.
Noch etwas länger würde es dauern, bis es komplett selbstfahrende Autos gibt, "wo jemand betrunken oder ohne Führerschein einsteigt und wie im Taxi nur noch sagt, wo er hin will", sagt Wahlster. Der Experte weiter: "Das wird von der Zulassung und der Akzeptanz her mindestens noch zehn Jahre dauern." Wahlster sieht die deutsche Forschung im Bereich des autonomen Fahrens in der Weltspitze. Jedoch seien die deutschen Zulassungsbehörden oft "viel genauer und kritischer als die amerikanischen". Deutsche Hersteller hätten zudem einen so guten Ruf, "dass sie nicht ganz so schnell unausgereifte Technologien auf den Massenmarkt bringen".
Mit knapp 500 Wissenschaftlern erforsche das DKFI unter anderem, wie und wann das autonome Auto in schwierigen Situationen die Kontrolle wieder an einen menschlichen Fahrer abgeben kann. Wer etwa gerade lese oder sogar schlafe, der kann nicht sofort das Fahrzeug lenken, wenn ihn das Auto plötzlich um Hilfe ruft, sagt Wahlster.
Umfrage 2015: Würden Sie ein Auto von Google oder Apple kaufen?
Laser, Radar, Kameras und Ultraschall
Also müsse der Autopilot wissen, in welchem Aufmerksamkeitszustand sich die Passagiere befänden - und das müsse er bei der Rückübergabe auch zeitlich berücksichtigen. Das Auto muss dem Fahrer auch präzise sagen, warum es die Kontrolle an den Menschen übergeben muss, so der Experte. Und im Extremfall müsse ein professioneller Fahrer in einem Servicezentrum per Fernsteuerung das Fahrzeug kontrollieren können.
Das Zusammenwirken der verschiedenen Sensoren am Auto ist ein anderes zentrales Forschungsthema. Laser, Radar, Kameras und Ultraschall seien in verschiedenen Wetter- und Lichtsituationen verschieden zuverlässig. Der Informatikprofessor sagt: "Und dann stellt sich die Frage: Welchem Sensorwert trauen wir denn jetzt?" Das geschehe über das Lernen der Softwaresysteme aus den eigenen richtigen und falschen Bewertungen von Situationen: "Also Erlernen der Zuverlässigkeit maschinell gelernter Algorithmen. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe", gibt Wahlster zu bedenken.
Was ist bei einem Zuckerschock?
Mit seiner intensiven Grundlagenforschung zu Komponenten des autonomen Fahrens hat sich das DKFI nach eigenen Angaben weltweit einen Namen gemacht. "Wir sind derzeit das größte Zentrum für Künstliche Intelligenz", sagt Wahlster. Das Forschungszentrum arbeitet etwa mit Volkswagen und BMW zusammen, hat aber auch Google als Gesellschafter an Bord. "Google ist ja sehr erfolgreich im Bereich des maschinellen Lernens", so Wahlster. Auch Systeme, die einspringen und das Auto übernehmen, wenn der Fahrer plötzlich am Steuer einschläft oder etwa einen Zuckerschock hat, haben die Forscher in den Blick genommen. "Dann wird der Wagen sicher an den Straßenrand gelenkt."
Laut Wahlster steht ein weiterer Durchbruch in der Forschung bevor: In Kürze werde das DFKI als erstes Forschungszentrum in Deutschland einen neuen Supercomputer (DGX-1) als Schenkung bekommen, den der US-Hersteller Nvidia wenigen Forschungsinstituten im Bereich Künstlicher Intelligenz übergebe. Dieser sei ein extrem leistungsfähiger Computer, der Grafikkarten als Rechner benutze: "Damit wird das maschinelle Lernen mit mehrschichtigen neuronalen Netzen außerordentlich beschleunigt." So erfolge die parallele Auswertung und Zusammenführung aller Sensorinformationen in autonomen Fahrzeugen mit hoher Präzision und in Echtzeit. (dpa-AFX/gem)