München. Mobileye und Delphi wollen gemeinsam ein komplett ausgereiftes System zum hochautomatisierten Fahren entwickeln. Das gaben die Chefs beider Unternehmen, der Mobileye-Gründer Amnon Shashua und Delphis CEO Kevin Clark, heute bekannt.
Wie beide Unternehmen ankündigten soll das System 2019 produktionsreif sein, sodass Autohersteller es dann als Komplettlösung in ihre Fahrzeuge einbauen können. Das System soll mit verschiedensten Fahrzeugplattformen kompatibel sein, sodass jeder Hersteller weltweit, der Interesse hat, es auch integrieren kann.
Die schlüsselfertige Technik solle interessierte Hersteller "wenige tausend Dollar" kosten, sagte Shashua. Erste Fahrzeuge damit könnten 2020 oder 2021 auf die Straßen kommen.
Mit dieser Technik können die Fahrzeuge nicht nur hochautomatisiert auf Autobahnen, sondern auch in Städten fahren. Wie Shashua und Clark in einer Telefonkonferenz Journalisten mitteilten, wird das System so konzipiert sein, dass die darauf folgenden technischen Entwicklungsschritte über Softwareupdates angeglichen werden können. So können all diejenigen Fahrzeuge, die in ein paar Jahren mit diesem System fahren, es immer wieder über diese Updates auf den neuesten Stand bringen.
Bereits im Januar auf der nächsten CES wollen die Partner eine Demo-Version dieser sogenannten CSLP-Plattform präsentieren. Im Anschluss daran soll die Technik in verschiedenen Regionen weltweit erst auf Teststrecken, dann im alltäglichen Straßenverkehr getestet werden. Das ist auch wichtig, denn ein System, dass nur in den USA getestet wurde, wird sich beispielsweise nicht im japanischen Straßenverkehr zurecht finden.
Delphi-Partnerschaft sei keine Konkurrenz zu BMW
Amnon Shashua betonte, dass diese Partnerschaft mit Delphi in keinster Weise in Konkurrenz zur Zusammenarbeit von Mobileye mit BMW und Intel stünde. "Das ist eine Partnerschaft mit einem Autohersteller, mit dem wir auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen erarbeiten", sagt er.
Etwas völlig anderes sei die Partnerschaft mit Delphi, die sich rein darauf beziehe, ein Modul zum autonomen Fahren zu konzipieren, dass hinterher von allen Autoherstellern gekauft und eingebaut werden könne, die es auch haben wollten.
"Natürlich wird die Partnerschaft mit Delphi auch jedem Hersteller zugute kommen, mit dem wir zusammenarbeiten", ergänzte der Mobileye-Gründer.
Mobileye ist führender Zulieferer für die Sensortechnik zum automatisierten Fahren. Erst kürzlich schloss der Zulieferer mit Sitz in Jerusalem eine Partnerschaft mit BMW und Intel, um bis 2021 gemeinsam eine Plattform zum automatisierten Fahren zu entwickeln.
Lösung könnte interessant für kleine Hersteller sein
Große Hersteller wie Daimler, BMW, GM, VW oder Ford arbeiten selbst unter Hochdruck an der Entwicklung dieser Technologien; viele davon arbeiten auch mit Mobileye oder Delphi zusammen.
Diese Lösung von Delphi und Mobileye könnte aber gerade für kleinere Hersteller mit weniger Finanzkraft interessant sein, die nicht selbst die Möglichkeit haben, hier zu investieren. Gerade viele kleine Hersteller, die sich auf die Entwicklung von Elektroautos spezialisiert haben, sind auf Module externer Anbieter für das autonome Fahren angewiesen.
Beide Unternehmenschefs sind sich einig, dass diese Partnerschaft dazu beitragen wird, sehr schnell sichere Systeme zum hochautomatisierten Fahren auf die Straßen zu bringen. "Unsere Partnerschaft wird es unseren Kunden ermöglichen, das hochautomatisierte Fahren ohne große Kapitalinvestments zu adaptieren. Das bringt ihnen enorme Vorteile", sagt Amnon Shashua.
Delphi und Mobileye wollten aber keine konkreten Angaben zu den Kosten ihres Projekts machen. Es gehe aber um "hunderte Millionen Dollar", sagte Delphi-Chef Kevin Clark.
System mit menschlicher Intuition
Die Lösung, die beide Firmen jetzt gemeinsam entwickeln wollen, basiert auf Schlüsseltechnologien beider Unternehmen. Dazu gehören das chipbasierte EQ4/5-System von Mobileye mit Sensoren, Signalverarbeitung, Datenverknüpfung, Erzeugung einer Weltsicht und dem Road Experience Management-System, das zum Echtzeit-Mapping und zur Lokalisierung von Fahrzeugen eingesetzt werden wird.
Delphi wird Software-Algorithmen für das automatisierte Fahren beisteuern, die Features zur Pfad- und Bewegungsplanung liefern, sowie den Delphi Multi Domain Controller, komplett ausgerüstet mit Kamera, Radar und Lidar.
Das System solle sich vor allem auf Daten von Kameras und Radar-Sensoren verlassen, hieß es. Die grundsätzlich teureren rotierenden Laser-Radare sollen nur zur Unterstützung verwendet werden. Das senke auch den Preis.
Darüber hinaus werden Teams aus beiden Unternehmen die nächste Generation der Sensorfusion-Technologie und der Fahr-Richtlinien nach menschlichem Vorbild entwickeln. Damit sollen die Fahrzeuge die Fähigkeiten bekommen, sich in komplexen urbanen Verkehrssituationen mit anderen Verkehrsteilnehmern abzustimmen und nicht nur Fußgänger und Radfahrer zu erkennen, sondern auch aus ihrem Verhalten vorauszuahnen, was sie als nächstes tun werden.
"In der künstliche Intelligenz steckt so viel Potenzial, sodass wir sie für unsere Systeme dringend nutzen müssen. Wir brauchen Machine-Learning, um das menschliche Verhalten in komplexen Verkehrssituationen zu verstehen", sagt Clark. Darum arbeiten künftig Teams gemeinsam an Machine-Learning-Projekten.
Mobileye zeigt Tesla weiter kalte Schulter
Auf Nachfrage von Journalisten, ob Mobileye sich wieder eine Zusammenarbeit mit Tesla vielleicht auf Basis dieses neuen Moduls vorstellen könnte, antwortete Shashua nur: "Wir haben mitgeteilt, dass wir Tesla nicht weiter begleiten werden, und wir ändern unsere Meinung auch nicht."
Nach dem tödlichen Unfall eines Tesla-Fahrers mit einem Lastwagen auf einer US-amerikanischen Landstraße kündigte Mobileye an, mit Tesla künftig nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen. Die Technik im Tesla sind nämlich Sensoren, Kamera und der Algorithmus von Mobileye.
Auch Delphi gehört in diesem Bereich zu den führenden Sensorentwicklern und Produzenten und integriert Software, Sensoren und Systeme für das automatisierte Fahren. (Mit Material von dpa)