Hamburg. Am Stammsitz Lamborghinis in der beschaulichen Ortschaft Sant'Agata Bolognese sprach der Herstellungsleiter des traditionsreichen Labels mit dem rauflustigen Stier im Logo mit Automobilwoche unter anderem über modulare Montage, altbewährte Qualitätssicherung und neue Roboter. Ranieri Niccoli, 47, gehört seit 2008 zum Führungsteam des Anbieters spektakulärer Kraftwagen. Seine Karriere hatte der Norditaliener bei Fiat begonnen, wo er später die Montage im Werk Mirafiori in Turin leitete.
Herr Niccoli, mit dem Projekt „Urus“ peilt Lamborghini den Einstieg in ein neues Marktsegment an. Was bedeutet dieser Schritt für Produktion und Logistik?
Zunächst einmal eine Verdopplung unseres Fertigungsvolumens von zuletzt rund 3300 Einheiten pro Jahr auf 6000 bis 7000. In enger Zusammenarbeit mit Audi wollen wir dabei unter anderem die modulare Montage ausweiten, um die Flexibilität in allen Produktionsprozessen weiter zu erhöhen.
Naht somit das Ende der Handarbeit?
Nein, Handarbeit wird auch beim Urus einen sehr hohen Stellenwert behalten. Mit Blick auf die Vorzüge der Fabrikkonzeption „Industrie 4.0“ wollen wir an einigen Stellen aber auch den Automatisierungsgrad erhöhen. Und zwar auf Lamborghini-Art, also auf eine clevere Weise.
Was verbirgt sich hinter diesem Vorhaben?
Wir arbeiten für den Urus an einem hochmodernen Fertigungsverbund namens „Manifattura Lamborghini“. Wie schon die Bezeichnung nahelegt, bleibt hier eine Vielzahl manueller Arbeitsumfänge erhalten. Schließlich legen unsere Kunden gerade darauf allergrößten Wert. Das schließt aber nicht aus, dass wir ganz gezielt noch mehr Hightech-Anlagen nutzen. Derzeit ist bei Lamborghini ein Roboter im Einsatz – er verklebt die Windschutzscheiben mit höchster Präzision. Für Montageschritte, bei denen starke Lasten zu bewegen sind, oder in schwer zugänglichen Bereichen der Karosserie werden wir unseren Mitarbeitern kollaborative Roboter zur Verfügung stellen.
Die Hersteller vergleichsweise kleiner Serien stehen aufgrund zahlreicher Sonderwünsche der Autokäufer oft vor einer enormen Komplexität. Wie geht Lamborghini damit um?
Wir haben den Anspruch, für unsere Kundschaft auch das Unmögliche möglich zu machen. Bei unserem Topmodell Aventador liegt der Anteil von „Ad-personam“-Ausstattungen bei über 50 Prozent. Und der Trend zur Individualisierung des Neuwagens ist ungebrochen. An jeder Arbeitsstation haben wir auch aus diesem Grund Touchscreens für unsere Monteure eingerichtet, mit denen sie die Einbaufolge selbst ausgefallenster Extras abrufen können und das Ergebnis vor Übergabe an die nächste Montageeinheit akribisch überprüfen.
Wer die Lamborghini-Werker beobachtet, sieht etliche Per-Hand- und Sichtkontrollen.
Die langjährige Erfahrung vieler unserer Mitarbeiter ist bei der Qualitätsprüfung unverzichtbar. Manche Stammkunden wünschen sich sogar immer wieder dasselbe Montageteam. Bei sicherheitsrelevanten Umfängen setzen wir selbstverständlich modernste Technik ein. Die exakte Positionierung der Räder etwa wird per Laser garantiert – unsere Sportwagen sind ja weit schneller als 300 km/h.
VW-Chef Matthias Müller will Synergien im Konzern heben, quer über alle Marken. Was kann das Label Lamborghini beisteuern?
Denken Sie nur an die steigende Bedeutung von Leichtbau, etwa zur Verbrauchssenkung. Lamborghini hat unübertroffene Erfahrungen mit CFK-Werkstoffen. Entlang der gesamten Prozesskette, wohlgemerkt. Also vom Prototyp über die Serienproduktion bis hin zur Reparatur. Da ist innerhalb des VW-Konzerns eine Reihe spannender Kooperationen denkbar.