München. In den vergangenen Jahrzehnten sind Pkw-Fahrwerke leistungsfähiger und sicherer geworden. Doch höhere Zuladung, mehr Fahrstabilität und bessere Fahrdynamik-Eigenschaften haben auch zu komplexeren Systemen mit mehr Gewicht geführt.
Gegen diesen Trend stemmt sich ZF Friedrichshafen mit einer radführenden Querblattfeder aus Glasfaser-Kunststoff-Verbund (GFK), "die wir in eine Leichtbau-Hinterachse für Pkw integriert haben", so Christoph Elbers, Leiter Vorentwicklung Fahrdynamik in der ZF-Division Pkw-Fahrwerktechnik. Im Vergleich zu einer Mehrlenker-Hinterachse spart das Konzept bei vergleichbaren Eigenschaften etwa sechs Kilogramm Gewicht, entsprechend 13 Prozent. "Das ist vor allem durch den ganzheitlichen Leichtbauansatz möglich, den ZF auch in anderen Produktionsbereichen konsequent verfolgt", betont Elbers.
Für den Antriebsstrang wurde bei ZF ein Achsgetriebe entwickelt, das dank Konstruktions- und Materialleichtbau rund fünf Kilogramm weniger wiegt als eine aktuelle Serienlösung und so 20 Prozent Gewicht spart.
45 Prozent leichter
Zulieferer Thyssenkrupp arbeitet insbesondere bei Chassis-Systemen wie Lenkungen und Dämpfern verstärkt mit Faserverbundwerkstoffen – vor allem CFK (Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff). "So haben wir zum Beispiel Stoßdämpferrohre aus CFK entwickelt, die bis zu 45 Prozent leichter sind als ein Aluminium-Dämpferrohr", erklärt Karsten Kroos, Leiter der Geschäftseinheit Komponenten-Technologie.
Auch bei Lenkungsbauteilen oder ganzen Lenksäulen spart Thyssenkrupp dank CFK und Hybridbauteilen deutlich Gewicht ein. "Dabei testen wir auch neue Fertigungsprozesse, um CFK-Komponenten künftig einfacher und kostengünstiger produzieren zu können", so Kroos.
Bei Tenneco fährt man zweigleisig, um das Stoßdämpfergewicht zu verringern. Zum einen geht der US-Zulieferer vom Doppelrohr- zum Einrohrdämpfer über. Zum anderen entwickelt er Lösungen mit anderen Materialien als herkömmlichem Stahl, etwa mit hochfesten Stählen, Aluminium oder Harzfaser-Verbundwerkstoffen.
Kleben statt schweißen
Nicht nur bei Zulieferern, auch bei Entwicklungsdienstleistern wird akribisch getüftelt. "Die Leichtbaulösungen folgen der Prämisse, das Material mit seinen spezifischen Eigenschaften an der Stelle einzusetzen, an der der größte Nutzen für die Performance des Fahrzeugs entsteht. Hier spielen die klassischen Stahlsorten mit ihren unterschiedlichen Festigkeitswerten ebenso eine Rolle wie Aluminium oder Kunststoffe mit und ohne faserverstärkten Gelegen", sagt Michael Hage, Fachbereichsleiter Karosserieentwicklung bei der Projektgesellschaft von Bertrandt.
Den Schlüssel dieses Materialmix in der Karosserieentwicklung sieht er in der Verbindungstechnologie. "Kleben, Nieten oder Schrauben werden zunehmend in den Fokus rücken und den klassischen Schweißpunkt in der Anwendung verdrängen", ist er überzeugt. "Um weitere Leichtbaupotenziale zu realisieren, arbeiten wir an belastungsgerechten Topologie-Optimierungen der Bauteile", ergänzt Matthias Rühl, der den Powertrain-Bereich von Bertrandt leitet. Er macht klar, dass es bei der Gewichtsreduzierung ohne Detailarbeit nicht geht.