München. Wenn Jobsuchende sich bewerben, haben sie im Durchschnitt ein recht positives Bild von ihrem Wunscharbeitgeber. Sie geben ihm die Note 5,8 auf einer Skala von 1 (schlechtes Image) bis 7 (sehr gutes Image). Nach dem Bewerbungsprozess vergeben sie im Durschnitt nur noch 5,0 Punkte, weil sie der Ablauf nicht ganz überzeugt hat. Diese Erfahrungen tragen sie im Freundes- und Bekanntenkreis, oft auch in sozialen Medien, weiter. Schlechte Bewerbungsverfahren schaden auf diese Weise der Reputation von kleinen wie großen Unternehmen. Das ist ein Ergebnis einer gemeinsamen Studie der auf Markenthemen spezialisierten Unternehmensberatung Esch und der Recruitingplattform softgarden.
Die meisten Jobsucher (57 Prozent) sind der Studie zufolge von den Erfahrungen während des Bewerbungsprozesses nicht überzeugt. Zwar sind negative oder sehr negative Erfahrungen die große Ausnahme. Im Mittel wurde der Bewerbungsprozess mit 5,1 von maximal 7 Punkten gar nicht mal schlecht bewertet. Entscheidend ist den Studienautoren zufolge aber, dass die Kandidaten ihre Bewerbung mit einer sehr positiven Einschätzung des Unternehmens starten – und dass im Verlauf diese hohen Erwartungen nicht erfüllt werden.
Zwar liegt keine spezielle Auswertung für die Automobilindustrie vor. Aber „ein Ergebnis der Studie dürfte besonders für deutsche Automobilhersteller relevant sein: Gerade Unternehmen mit starken und bekannten Marken können mit einer mittelmäßigen Qualität im Bewerbungsprozess ihren Marken Schaden zufügen. Denn die Erwartungen von Bewerbern an starke Marken sind hoch, die Fallhöhe bei schlechten Bewerbungsprozessen ist entsprechend groß“, sagt Prof. Franz-Rudolf Esch, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung an der EBS Business School und Gründer des Beratungsunternehmens Esch. Aber auch Automobilzulieferer mit weniger starken Marken sollten auf gute Bewerbungsprozesse achten. Esch: „Für Automobilzulieferer, die in der Regel als Unternehmen wie auch als Arbeitgeber wenig bekannt sind, greift ein aus Word-of-Mouth-Studien bekanntes Phänomen: Hören potenzielle Bewerber oder Kunden zum ersten Mal von einem Unternehmen in Form negativer Erfahrungsberichte über Bewerbungsverfahren, so prägt dies die Wahrnehmung des entsprechenden Unternehmens möglicherweise besonders stark.“
Für fast zwei Drittel kein positives Erlebnis
Der Studie zufolge sind 52 Prozent der 1024 Befragten von der Prozessqualität des Bewerbungsverfahrens nicht überzeugt, 63 Prozent bewerten das Erlebte als emotional nicht positiv. 53 Prozent der Kandidaten wurde während des Bewerbungsprozesses nicht klar vermittelt, wofür das Unternehmen als Marke steht. Nahezu alle Kontaktpunkte und -anlässe sind verbesserungsfähig, vom Online-Formular über die Informationsbroschüre bis zu Gesprächen mit Recruitern und Führungskräften. Persönliche Kontakte empfinden die Bewerber dabei als besonders wichtig.
Während das Bewerbungsgespräch am besten bezüglich der Performance eingeschätzt wird (5,6), finden sich beim Abschluss des Prozesses in Form der Zusage oder Ablehnung noch eher Optimierungspotential (5,0). Die Begründung der Entscheidung wird vergleichsweise sogar am schlechtesten bewertet (4,6). Ein weiteres Schlusslicht bezüglich der Performance stellen Personalauswahlverfahren wie Persönlichkeitstests oder Assessment Center dar (4,6).
Die Branchen schneiden bei der Qualität der Bewerbungsverfahren unterschiedlich ab. Im Durchschnitt lag die Bewertung bei 5,1 Punkten Schlusslichter sind Transport und Logistik (4,7), der Handel, Gesundheit, Soziales und Bildung sowie die verarbeitende Industrie (jeweils 4,9). Die Branchen mit dem besten Bewerbungserlebnis sind das Bau-/Wohnungswesen (5,8), das Handwerk (5,6) sowie Chemie/Pharma (5,4).