Wörth. Wolfgang Bernhard bemüht sich von ganzem Herzen ein Trucker zu werden. «Ich kann es kaum erwarten», sagte der frischgebackene Lkw-Chef. Doch bislang kann der 52-Jährige sich nur vor parkenden Lastwagen ablichten lassen. Was ihm noch fehlt, ist der entsprechende Führerschein: «Bis zu den Sommerferien muss das durch sein», lacht er und scherzt, sein Fahrlehrer habe gesagt, die Lage sei verzweifelt, aber nicht hoffnungslos.
Von der S-Klasse zum 40-Tonner - eine ziemliche Umstellung. Im April tauschte der ehemalige Produktionsvorstand der Pkw-Sparte den Platz mit dem bisherigen Nutzfahrzeugchef Andreas Renschler.
Als die Entscheidung im Februar fiel, hieß es in mit der Sache vertrauten Kreisen, den Arbeitnehmervertretern sei es wichtig gewesen, dass der einst als Nachfolger von Daimler-Chef Dieter Zetsche gehandelte Bernhard «nicht mehr Pkw» mache. Der Manager war in der Vergangenheit immer wieder wegen seines rigiden Sparkurses mit Betriebsräten und Belegschaft aneinandergeraten.
Um sich als Zetsche-Nachfolger wieder ins Gespräch zu bringen, müsse Bernhard sich deshalb mit einer sehr guten Performance zurückmelden, glaubt Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Bernhard sei vielen nur noch als Kostenkiller bekannt. Bei anderen steht er im Ruf, zielstrebig, fasst schon verbissen zu sein.
Sein Vorgänger Renschler trete dagegen sehr offen auf, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Renschler sei sehr glaubwürdig und packe an den richtigen Stellen an, ohne die Leute gegen sich aufzubringen. «Nach meiner Einschätzung hat er bessere Chancen als Bernhard, der schwer für den Arbeitnehmerflügel im Aufsichtsrat umsetzbar ist.» Neben Renschler räumt Dudenhöffer auch China-Chef Hubertus Troska gute Chancen auf die Zetsche-Nachfolge ein.
Angesichts dieser Konkurrenz muss Bernhard umso mehr zeigen, wie er die Nutzfahrzeugsparte weiter voran bringen will. Strategisch habe sein Vorgänger mit den Joint-Ventures in China, Indien und Russland ganze Arbeit geleistet, sagt Dudenhöffer. Eigentlich müsse Bernhard nur darauf aufbauen und die Flexibilität erhöhen.
Bernhard will das bewährte Prinzip, Bauteile in verschiedenen Modellen zu verwenden noch stärker auf die Lkw ummünzen. «Dort ist uns der Pkw um Meilen voraus», sagte er im Entwicklungszentrum der Truck-Sparte in Wörth. Doch zunächst müssen die noch von seinem Vorgänger gesetzten Ziele bei Gewinn und Kosten erreicht werden.
Ein nicht ganz ungefährliches Terrain für Bernhard. Hatte er sich doch als Manager bei Daimler schon 2004 mit Arbeitnehmervertretern überworfen, nachdem er Mercedes als Sanierungsfall bezeichnet hatte. Sein Wechsel an die Spitze der Mercedes-Sparte platzte in der Folge wegen «Meinungsverschiedenheiten». Auch bei VW musste er 2007 gehen, nachdem er mit der Drohung, die Golf-Fertigung ins Ausland zu verlagern, den Zorn der Beschäftigten auf sich gezogen hatte.
In seiner neuen Position hat Bernhard erste Tuchfühlung mit den Betriebsräten bereits aufgenommen. Sie seien eine «wichtige Geschichte», beteuert er in Wörth. Und wenigstens in den USA kann Bernhard mit guten Nachrichten trumpfen: Statt 1300 werden dort nur 600 Stellen gestrichen.
Autoexperte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Nürtingen-Geislingen glaubt deshalb nicht, dass Bernhard schon alle Chancen als möglicher Zetsche-Nachfolger verspielt hat. «Die Beförderung zum Spartenchef mit Ergebnisverantwortung ist eine deutliche Aufwertung», sagt Diez. Daimler sei immerhin einer der größten Nutzfahrzeughersteller der Welt. «Wenn er den Job gut macht, ist er prädestiniert für die Zetsche-Nachfolge.» Doch dafür muss er die Arbeitnehmerbank auf seine Seite bringen. (dpa/gem)