Brühl. Nissan Deutschland zwingt alle seine Händler dazu, das Elektroauto Leaf in deren Portfolio zu übernehmen und entweder als Ausstellungsfahrzeug oder als Testfahrzeug vorrätig zu halten. Weil 15 der insgesamt 222 Händler in Deutschland dies dennoch nicht tun wollen, hat der Hersteller ihnen nun mit Wirkung zum 1. Dezember die Kündigung des Händlervertrages geschickt.
Die betroffenen Betriebe müssen damit fristgerecht zum 1. Januar 2015 ihre Nissan-Vertretung beenden.
"Der Leaf ist für unsere Marke ein sehr, sehr wichtiges Auto. Händler, die das nicht verstehen, können unsere Marke nicht länger vertreten," sagte Nissan-Deutschlandchef Vincent Wijnen am Freitag in einer Telefonkonferenz. "Man kann kein Nissan-Händler sein, wenn man diese Strategie nicht mitträgt."
Nissan habe weltweit mehr als vier Milliarden Dollar in die Elektromobilität investiert und erwarte auch von seinen Händlern ein gewisses Mindestengagement, sagte Wijnen. Zudem startet im kommenden April die Fertigung des Leaf im Nissan-Werk im britischen Sunderland. Theoretisch können dann dort jährlich bis zu 50.000 Einheiten des "Car of the Year" von 2011 von den Bändern rollen.
Er habe großes Verständnis für die Vorbehalte vieler Händler, die sich nicht gegen die Elektromobiltät an sich richteten, sondern die auf die schwierige Situation gerade in Deutschland verwiesen, sagte Wijnen weiter. "Es stimmt, der Elektroauto-Markt in Deutschland ist noch nicht wirklich da. Aber wir haben ein tolles Produkt, und wir sind stolz darauf. Das muss man auch nach außen tragen."
Zunächst stellten nur 19 Händler den Leaf in ihren Ausstellungsraum
Nissan Deutschland habe in den vergangenen Wochen immer wieder mit den Händlern gesprochen. Letztlich hätten sich 94 Prozent dazu entschieden, den Leaf ins Verkaufsprogramm hineinzunehmen. Wijnen räumte ein, dass zu Jahresbeginn, als dies von dem Hersteller noch nicht gefordert war, erst 19 Händler überhaupt ein Exemplar des E-Fahrzeugs im Ausstellungsraum zeigten.
"Das Zeitalter der Elektromobilität hat gerade erst begonnen. Bei Nissan wird es keineswegs bei dem einen Modell Leaf bleiben. Nächstes Jahr kommt bereits die Elektroversion des Kastenwagens NV200 auf den Markt. Und es werden noch weitere E-Mobile kommen. Darauf wollen wir uns jetzt vorbereiten", sagte Wijnen.
Nissan fordere dieses Engagement von allen seinen Händlern in Europa ein. Nur in Ländern wie Russland, wo der Leaf noch nicht eingeführt sei, seien die Händler von dieser Vorgabe selbstverständlich nicht betroffen.
Kosten für den Händler: Ein Leaf plus 6000 Euro
Die Forderung von Nissan geht den Händlern unmittelbar ans Portemonnai. Sie müssen nun alle mindestens einen Leaf bestellen. Der Endkundenpreis in Deutschland liegt bei mindestens 36.990 Euro. Hinzu kommen rund 6000 Euro für den Aufbau von zwei geforderten Standard-Ladesäulen sowie einige Spezialwerkzeuge.
Immerhin 22 Händler in Deutschland seien aber bereit, noch mehr als das geforderte Minimum zu tun, so Wijnen. Sie würden wenigstens zwei Leafs bestellen.
In Deutschland wurden seit der Einführung des Leaf im April diesen Jahres bislang 411 Einheiten zugelassen. Davon seien rund 250 Zulassungen des Handels oder Eigenzulassungen des Herstellers, sagte der Nissan-Chef weiter. Europaweit wurden bislang insgesamt 6300 Leafs zugelassen, weltweit 43.000. Damit sieht sich Nissan bei Elektroautos als Marktführer mit einem globalen Marktanteil von 49 Prozent.
Händlerverband: Kündigungen sind "unverhältnismäßig"
Der Nissan-Händlerverband bezeichnete die Kündigungen als "unverhältnismäßig", lobte aber zugleich ein umfangreiches Entgegenkommen von Nissan gegenüber dem Handel in dieser Frage. "Die ursprünglich angedachten Mindestforderungen wären auf eine weit höhere Investition jeden Händlers von mindestens 75.000 Euro hinausgelaufen", sagte Peter Gerards der Automobilwoche, der Vorsitzende des Händlerverbandes. Die Reduzierung dieser Forderungen sei in langen Verhandlungen erreicht worden.
"Wir halten die Kündigungen aber trotzdem für unverhältnismäßig, weil es derzeit in Deutschland kaum eine Nachfrage nach Elektroautos gibt und weil die Ladeinfrastruktur noch nicht flächendeckend ausgebaut ist."
Weil es sich um eine ordentliche Kündigung handelt, haben die Händler Anspruch auf eine Abfindung, die sich nach dem Volumen ihrer bisherigen Nissan-Verkäufe richtet. Wichtig sei dem Verband auch gewesen, dass der Hersteller nicht einseitig den Verkauf des Leaf erzwingen kann, sondern dass der selbständige Händler selber entscheiden kann, ob er das Auto in sein Portfolio nimmt.