Er war Mister Cost-Killer, er war Manager des Jahres, er war der Retter von Nissan, der Auto-Flüsterer, der Macher der Autobranche schlechthin. Und jetzt der Rauswurf. Carlos Ghosn wird von Nissan mit einem deftigen Tritt in den Allerwertesten vor die Tür gesetzt. Der Aufsichtsrat wird keine andere Wahl haben, als sich von seinem Präsidenten und Chairman unverzüglich zu trennen.
Die elende Winzigkeit des menschlichen Egos hat nun auch Carlos Ghosn eingeholt. War es Gier, war es Hybris? Einer der bestverdienenden Automanager der Welt glaubte auf jeden Fall, für ihn müssten andere Spielregeln gelten - seine.
Gut zu wissen, dass im Rechtsstaat Japan auch ein gefeierter, ja geradezu verehrter Meister der Unternehmensführung keine Sonderrechte für sich beanspruchen kann. Der Fall Ghosn wird zweifellos in die Geschichte der Automobilbranche eingehen - eine geradezu griechische Tragödie mit einem sehr, sehr unrühmlichen Ende.
Alarmglocken in Stuttgart
Doch der Rauswurf von Ghosn ist bei weitem nicht nur ein individuelles Schicksal. Ghosn hat über Jahrzehnte Strippen gezogen und alle Fäden bei sich zusammenlaufen lassen - so einen kann man nicht über Nacht ersetzen, auch wenn Nissan-Vorstandschef Hiroto Sikawa seit gut einem Jahr das Ruder bei der japanischen Marke führt.
Am Montag ist aber nicht nur der Börsenkurs von Nissan um fast neun Prozent eingebrochen, sondern Renault stürzte sogar um über zehn Prozent ab, Mitsubishi um gut drei Prozent. Bei Renault war Ghosns Vertrag als Vorstandschef erst im Februar um vier Jahre verlängert worden. Keine Frage, auch bei Renault und bei allen anderen Unternehmen wird Ghosn seine Ämter niederlegen müssen.
Die Dreier-Allianz von Nissan-Renault-Mitsubishi hätte in keine schlimmere Führungskrise schlittern können. Das Vertrauen der Investoren, aber auch der vielen Partner in der Industrie wird lange Zeit erschüttert sein.
Auch beim langjährigen Partner Daimler werden heute die Alarmglocken geläutet haben. Zwar war zuletzt das innige Verhältnis zwischen beiden Autobauern leicht abgekühlt und die fast schon traditionelle "Dieter und Carlos"-Show bei diversen Automessen hatte im Oktober zum letzten Mal in Paris stattgefunden. Doch wie tönern sind die Zusagen eines Partners, wenn deren höchster Repräsentant billigen Betrug verübt wegen noch mehr Mammons, wird man sich in Stuttgart fragen.
Nissan und Renault in der Führungskrise
Nissan steht mit dem Fall von Ghosn vor einer echten Krise. Denn der japanische Autobauer steckt ohnehin mit beiden Ohren in einer noch lange nicht bewältigten Management- und Produktkrise. In Europa bröckelt der Absatz, der Marktanteil ist seit 2015 rückläufig. Die Palette ist veraltet, beim Zukunftsthema Elektromobilität ist Nissan bei seinem Frühwerk Leaf stehen geblieben. Es gibt viel zu tun und zu entscheiden für Nissan - vor allem in Europa. Da kommt eine Führungskrise denkbar ungelegen.
Das Ende von Ghosn wird Nissan und womöglich auch Renault monatelang mit sich selbst beschäftigen lassen in einer Zeit, in der zügige Entscheidungen angesichts der immensen Herausforderungen entscheidend sind, um im Wettbewerb nicht zu verlieren. Keine Frage: Carlos Ghosn hat sich große Verdienste um Nissan und Renault erworben. Doch mit seinem mutmaßlichen Betrug im Unternehmen hat er den beiden Unternehmen, ihren Mitarbeitern und den Partnern im Handel einen Bärendienst erwiesen.
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