Stuttgart/Bietigheim-Bissingen. Waschmaschinen und Kühlschränke, Maschinen für die Holzbearbeitung und Kunststoff-Wärmetauscher. Schaut man sich diese Liste von jüngst verkündeten Übernahmen an, deutet auf den ersten Blick kaum etwas darauf hin, dass die Käufer deutsche Autozulieferer sind.
Bosch hat vor wenigen Wochen den Hausgeräte-Hersteller BSH komplett geschluckt, Dürr schloss kürzlich die Übernahme des Holz-Maschinenbauers Homag ab, ElringKlinger gab jüngst den Kauf von Polytetra - einem Hersteller von Kunststoff-Wärmetauschern - bekannt. Fliehen die deutschen Zulieferer aus dem Autogeschäft?
Es waren zuletzt vor allem größere Firmen, die sich neue Felder suchten. Bosch etwa hat schon seit langem das Ziel ausgegeben, den Kfz-Anteil an den gesamten Aktivitäten des Konzerns auf 50 Prozent zu senken. Damit wolle man Chancen und Risiken weiter streuen, sagte Vorstandschef Volkmar Denner zur Begründung der BSH-Übernahme.
Ähnlich sieht man es bei Dürr, einem führenden Hersteller von Lackieranlagen. «Wir haben schon vor anderthalb Jahren entschieden, dass eine größere Akquisition nicht mehr im Automobilbereich stattfinden sollte», sagt Dürr-Chef Ralf Dieter. Klare Vorgaben will er aber nicht nennen: «Ich würde mich freuen, wenn der Kfz-Anteil hoch bleibt.»
«Der Trend hält schon länger an, insbesondere bei Firmen mit mehr als 2,5 Milliarden Euro Umsatz», sagt Andreas Radics von der Strategieberatung Berylls Strategy Advisors. «Seit der Krise 2009 wird das Thema aber intensiver in der Industrie diskutiert.»
Das Zuliefergeschäft ist ein hartes Brot. «Das Autogeschäft wird immer zyklischer, nach der Krise ist vor der Krise», erklärt Radics. Die Hersteller sorgten nicht unbedingt dafür, dass der Wettbewerb sinkt. Im Gegenteil: Einer aktuellen Studie von IHS Automotive zufolge geben die Autobauer ihr Spardiktat an die Zulieferer weiter.
Die Renditen - der Anteil des Gewinns am Umsatz - liegen in der Branche bei 6,5 bis 7 Prozent. «Im Maschinen- und Flugzeugbau zum Vergleich sind Margen häufig zweistellig», sagt Marcus Berret, Partner der Strategieberatung Roland Berger.
Der Chef des bayerischen Autozulieferers Webasto, Holger Engelmann, sieht trotzdem vor allem Risiken bei der Ausweitung des Geschäftsfelds in andere Bereiche. «Rasen der anderen ist immer grüner», sagt er. Es gebe genügend Beispiele für Zulieferer, die ihren Ausflug in andere Geschäftsbereiche am Ende bereut hätten.
Prominentestes Beispiel dürfte wohl Boschs teurer Exkurs in die Solarindustrie sein. Für Webasto, den weltgrößten Cabriodach-Hersteller aus dem oberbayerischen Stockdorf, kommt das nicht infrage. «Wir haben keine Pläne, uns außerhalb der Automobilindustrie zu bewegen», berichtet Engelmann.
«Vor allem für kleinere Firmen ist es wichtig, sich auf ihre Kernkompetenzen zu fokussieren», bestätigt Roland-Berger-Partner Berret. «Ansonsten laufen sie Gefahr, sich in anderen, für sie fremden Geschäftsbereichen zu verlaufen.»
Anders sieht es bei größeren Unternehmen wie Dürr oder ElringKlinger aus. Sie wollten den Autoherstellern auch zeigen, «dass sie nicht jeden Auftrag um jeden Preis entgegennehmen müssen».
Und es gibt noch einen weiteren Grund:Marktführer wie Dürr im Feld für Lackieranlagen sehen in ihrem Hauptgeschäft häufig keine Wachstumsmöglichkeiten mehr. «Die Hersteller achten meist darauf, dass Zulieferer nicht mehr als 35 bis 40 Prozent Weltmarktanteil bekommen», sagt Berret. «Wenn ein Zulieferer in neue Produktbereiche investiert, haben aber Automobilhersteller in der Regel nichts dagegen.»
Dürr-Chef Dieter will im nächsten Jahr zwar erst einmal Luft holen. «2015 steht nach der Homag-Übernahme für uns keine größere Übernahme an», sagt er. Grundsätzlich ist er für weitere Zukäufe aber offen.
«Wir würden uns nicht in einer Branche engagieren, die im chinesischen Fünf-Jahres-Plan hohe Priorität hat oder wo sich Großkonzerne tummeln», sagt Dieter. «Ansonsten gibt es keine Eingrenzung unserer Fantasie, solange wir uns im Maschinen- und Anlagenbau bewegen.» (dpa/gem)