Für seinen 70. Geburtstag hat Berthold Huber einen Besuch des Frankfurter Zoos mit seiner Enkelin geplant. Abends werde er noch mit seiner Familie essen gehen, sagt der frühere IG-Metall-Chef, zu dessen Ehren noch vor zehn Jahren Angela Merkel (CDU) zum Dinner ins Kanzleramt geladen hatte. 2010 war Huber auf dem Höhepunkt seines Einflusses, nachdem er sich in der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 zum Chefpragmatiker der deutschen Wirtschaft entwickelt hatte.
Abwrackprämie, verlängerte Kurzarbeit, Bürgschaften für klamme Unternehmen sowie ein moderater Tarifabschluss, den Huber undogmatisch mit seinem langjährigen Verhandlungspartner Martin Kannegiesser vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall aushandelte: Die IG Metall hat in der Krise nach der Lehman-Pleite großen politischen Einfluss gewonnen. Ergebnis des korporativen Krisenmanagements war das "German Jobwunder": Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie konnten ihre Fachkräfte halten und unerwartet schnell wieder aus der Talsohle herausfinden. "Ohne Frau Merkel wäre das nicht gegangen. Und ohne den damaligen Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) auch nicht", sagt Huber heute.
Gute sechs Jahre nach seinem Abschied von der Gewerkschaftsspitze (2007-2013) verfolgt der Sozialdemokrat das Geschick der deutschen Industrie und ihrer Arbeiterschaft noch sehr genau, wenngleich er die schwierigen Aufsichtsratsmandate bei den Flaggschiffen VW und Siemens längst aufgegeben hat. "Die heutige Situation ist mit 2008/2009 gar nicht vergleichbar", sagt Huber. "Wir stehen vor einer großen Transformationsaufgabe, stecken aber nicht in einer allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise."