Bei der neuen Mercedes-Benz S-Klasse mit dem Assistenten Drive Pilot, der das Auto als Stauassistent dazu befähigt, bis zu 60 km/h allein auf Autobahnen zu fahren, kommen etliche Sensoren verschiedener Art zum Einsatz. "Nur wenn die äußeren Bedingungen erfüllt sind, übernimmt das Auto die Kontrolle", sagt Gregor Kugelmann, der bei Mercedes-Benz die Entwicklung von Fahrer-Assistenzsysteme leitet.
So macht Sensorik Autos mehr und mehr selbstständig
Auf dem Weg zum automatisieren Fahren spielen immer mehr Sensoren und Assistenten zusammen. Ein Überblick über die Funktionen von Kameras, Lidar, Sensoren und Co.
Einer dieser sensorischen Helfer ist die Stereokamera. Sie komme dem menschlichen Auge am nächsten, sagt Prof. Christoph Stiller vom Institut für Mess- und Regelungstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Für eine Rundumsicht benötigten Fahrzeuge allerdings mehr als nur zwei Linsen.
Aber dann sehen sie im Wesentlichen das, was Menschen auch sehen. Dazu zählen Fahrbahnmarkierungen, Farben der Ampeln und Hinweisschilder. Nachteil: Eine Stereokamera sieht nicht sehr weit, maximal 80 Meter - bei schneller Fahrt ist das nicht viel.
In der Disziplin Fernsicht sind Radarsysteme besser - die laut Christoph Stiller allerdings Ampelfarbe, Straßenschilder oder Fahrbahnmarkierungen wiederum nicht erkennen. Entsprechende Technik wird bei Fahrzeugen schon seit dem Jahr 2000 verbaut, zum Beispiel für Abstandstempomaten.
Im Gegensatz zur Kamera arbeitet das Radarsystem aktiv, indem es Mikrowellen aussendet und wieder einfängt. Diese Entfernungsmessung nach dem Echoprinzip funktioniert auch bei Dunkelheit und bis zu 300 Meter weit. Die Technik macht sich dafür den sogenannten Dopplereffekt zunutze.
"Ein Radar kann sehr gut Geschwindigkeiten messen und ist für die Erkennung von sich bewegenden Objekten ideal", sagt Prof. Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität München (TMU).
Nahezu futuristisch mutet die Arbeitsweise von Lidarsensoren an. Im Gegensatz zum Radar senden solche Systeme keine Mikrowellen aus, sondern gebündelte Laserstrahlen. Dadurch kann ein Lidar einzelne Punkte im Umfeld abtasten. Er misst die Zeit zwischen Senden und Empfang und berechnet daraus die Entfernung.
Lidarsysteme setzen aus vielen solcher Reflexionen ein Bild mit rund einer Million Bildpunkten pro Sekunde zusammen. Daraus entsteht eine 3-D-Punktwolke, welche die Umgebung mit höherer Auflösung repräsentiert als ein Radarbild. Dadurch kann es komplexe Objekte abbilden und etwa einen Fußgänger von einem Auto unterscheiden.

Radar-Technologie: Mikrowellen werden ausgesandt und wieder eingefangen.
Fahrbahnmarkierungen erkennt ein Lidar anhand der Reflexionen nur eingeschränkt, Ampelfarben gar nicht. "Ein großer Vorteil liegt in der frühen Erkennung von Fußgängern, die im Gegensatz zu Autos oder Zweiradfahrern wenig Metall zur Reflexion bieten, wie es ein Radar benötigt", sagt Prof. Stiller. Jede Sensorart biete daher Vor- und Nachteile. Kombiniert man sie aber, machen sie zusammen automatische Fahrfunktionen möglich.
"Rein technisch würden zum automatisierten Fahren auch eine Stereokamera oder ein Lidar reichen", sagt Christoph Stiller. Doch dies wäre weniger zuverlässig und sicher. Zusätzlich setzen Autohersteller auf hochaufgelöste digitale Karten, die auf rund fünf Zentimeter genau die Position etwa von Fahrbahnrändern beinhalten.
Ultraschall spielt bei der Sensorik des automatisierten Fahrens übrigens nur eine untergeordnete Rolle, da er nur für ein Umfeld von rund zehn Meter detektieren kann. Zum Beispiel für Einparkhilfen kommen entsprechende Systeme zum Einsatz.
Radar und Lidar können Entfernungen genau bestimmen, der Mensch kann sie nur schätzen. Dafür kann der Mensch aufgrund seiner Erfahrung Situationen besser einschätzen. Er erkennt Muster und versteht Szenen, kann darauf reagieren. "Diese komplexen Verhalten kann noch kein Computer lösen", sagt Markus Lienkamp.
So setzen Hersteller bei automatisierten Fahrzeugen unterschiedliche Techniken ein, die redundant arbeiten. Nach dem Motto: Doppelt gemoppelt hält besser.
Beim Mercedes sitzt in der Front ein Lidar für die 3-D-Umfelddarstellung, dazu ein Radar für die Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. In der Frontscheibe sorgt eine Stereokamera für die optische Bilderfassung. Eine Kamera im Cockpit erkennt die Aufmerksamkeit des Menschen am Steuer - er darf nicht schlafen.
Im Radkasten horcht ein Sensor, ob die Fahrbahn stark beregnet ist, bei Starkregen muss der Fahrer übernehmen. Und auf dem Dach gibt eine sensible Antenne, die die genaue Position weitergibt, die mit hochauflösenden Karten verglichen wird.
Für den Nahbereich erkennen Ultraschallsensoren, ob sich jemand am Auto befindet, wie spielende Kinder. Eine Kamera in der Heckscheibe und Mikrofone erkennen Blaulicht und Einsatzfahrzeuge - und sorgen im Notfall dafür, dass das Auto für eine Rettungsgasse zur Seite fährt.

Autonomes Fahren: Bei der Überwachung ist auch der Fahrer im Visier der Systeme.
Seit Dezember 2021 besitzt Mercedes-Benz vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als erster Hersteller die Zulassung für die neue Funktion, die dem sogenannten Level 3 in der fünfstufigen Einteilung automatisierter Fahrfunktionen entspricht. Der Hersteller bietet sie optional in der S-Klasse zum Aufpreis von 5950 Euro an. Auch für die Elektrolimousine EQS ist das Feature verfügbar.
In den nächsten zehn Jahren werden alle Fahrzeuge mit Level-3-Funktion für "Hochautomatisiertes Fahren" auf die Kombination der verschiedenen Sensoren setzen. "Nach den Oberklassefahrzeugen wird die Technik auch in anderen Klassen Einzug finden, denn sie wird günstiger", sagt Stiller.
Auch Lienkamp geht davon aus, dass künftig alle automatisierten Fahrzeuge mit vollständiger Sensorik ausgestattet werden. Bei Level-4-Fahrzeugen für "Vollautomatisiertes Fahren" ändere sich die Sensorik zwar kaum, dafür aber die Algorithmen und die Software der Systeme, die auf Autobahnen dauerhaft das Steuer übernehmen können. Damit werden die Lenkräder künftig noch präziser arbeiten und dem Verkehr genauer folgen. (dpa/gem)
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