Noch sei es aber zu früh, von einer Trendwende zu sprechen, sagte Stelmach. Die britische Wirtschaft habe sich zu Jahresbeginn mit Brexit und der Pandemie in einem "perfekten Sturm" befunden. Vieles ist auch nach sechs Monaten noch unklar, zumal der Vertrag einige Fragen offen gelassen hat, etwa die Rolle der gerade für Großbritannien wichtigen Finanzbranche. Viele kleinere britische Finanzdienstleistungsunternehmen machten sich erst jetzt Gedanken, ob sie für die Beratung deutscher Kunden eine Lizenzierung oder Genehmigung der deutschen Finanzaufsicht Bafin benötigten, sagte von Massenbach, der das Londoner Büro der Wirtschaftskanzlei Luther leitet.
Ein Problem, das sich zudem in seiner ganzen Dimension noch gar nicht ausgewirkt hat, sind die neuen Hürden für Arbeits- und Aufenthaltsrecht sowie für Dienstleistungen. "Manchen Unternehmen wird es schwerer fallen, geeignete Arbeitskräfte zu finden– erste Stimmen äußern sich hier schon deutlich", warnte AHK-Chef Hoppe. Betroffen ist etwa das Gastgewerbe, das wegen der Corona-Krise etliche EU-Kräfte verlor, von denen wohl nach der Pandemie nur ein Teil zurückkehren wird. Die heimischen Angestellten können das Defizit nicht aufwiegen. Landwirtschaft und Pflege sind weitere Bereiche, in denen Fachkräfte aus der EU fehlen.
BCCG-Vertreter von Massenbach warnt in diesem Zusammenhang vor einer weiteren Gefahr. So werde auch der akademische Austausch, etwa in Form von Praktika "faktisch unmöglich gemacht", sagte er. "Die neuen Migrationsbestimmungen sind für mich daher eine der gravierendsten Folgen des Brexits, deren Auswirkungen sich im vollem Umfang noch zeigen werden." (Von Benedikt von Imhoff, dpa/mer)
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