Bei einem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU)mit Vertretern von rund 30 Kommunen an diesem Dienstag soll ein Startschuss für zusätzliche Maßnahmen gegen zu viele Diesel-Abgase gegeben werden. Dafür ist ein Förderfonds von einer Milliarde Euro vorgesehen, für den der Bund 750Millionen Euro in Aussicht gestellt hat. Den Rest soll die Branche beisteuern. Zusagen gibt es bisher aber nur von Volkswagen, Daimler und BMW. Die Importeure haben bisher keine Zahlungen zugesagt. Im Vorfeld gibt es von Kommunen und Parteien viel Kritik an der Bundesregierung
+++ 16.30 Uhr: Entwurf eines Ergebnispapiers durchgesickert ++++
Der Entwurf eines Ergebnispapiers ist durchgesickert. In dem Papier heißt es: "Pauschale Fahrverbote müssen vermieden werden." 350 Millionen Euro sollen demnach für die Elektrifizierung des Verkehrs bereitgestellt werden, etwa zur Umrüstung von Diesel-Busflotten. 150 Millionen Euro sollen in die Nachrüstung von Diesel-Bussen gehen, bis zu 500 Millionen Euro in die Digitalisierung des Verkehrs, etwa in Parkleit- und Fahrgastinformationssysteme. "Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Kommunen so früh wie möglich mit den erforderlichen Maßnahmen beginnen müssen."
+++ 15:00 Uhr +++ VDA: Dieselumrüstungen kommen gut voran +++
Gut 2,2 Millionen Diesel-Fahrzeuge seien bereits umgerüstet, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit. Für eine weitere halbe Million liege die aktualisierte Software vor und sei vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) genehmigt worden.
Die Autohersteller hatten Anfang August Software-Updates für zusätzliche 2,8 Millionen Fahrzeuge zugesagt als Beitrag zur Senkung der Stickoxid-Emissionen in Städten. Mehrere Hersteller bieten außerdem Extraprämien für den Kauf sauberer Neuwagen an, damit alte Diesel von den Straßen kommen. "Wir hoffen, dass wir durch unser breites Maßnahmenangebot und der Beteiligung am Fonds dazu beitragen können, Fahrverbote zu vermeiden", sagte eine VDA-Sprecherin.
Ein Software-Update könne eine durchschnittliche Stickoxidreduzierung von 25 bis 30 Prozent pro Fahrzeug leisten, hieß es beimVerband. Beim Fonds hätten bisher BMW, Daimler und der VW-Konzern zugesagt, sich entsprechend ihrer Marktanteile zu beteiligen. "Das Angebot steht, sobald alle administrativen Voraussetzungen seitens der Bundesregierung geklärt sind, werden die Unternehmen das Geld bereitstellen", sagte die VDA-Sprecherin. Die Initiative sei nach wie vor offen für weitere Beteiligungen. "Ein Engagement der Importeure wäre wünschenswert."
+++ 14:30 Uhr Die deutschen Kommunen verlieren die Geduld +++
Die deutschen Kommunen verlangen schnelle Sofortmaßnahmen für eine bessere Luft. "Viele Städte stehen jetzt in den Startlöchern und warten auf den Startschuss der Bundesregierung", sagte die Präsidentin des Städtetages, die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse.
Bei dem Treffen von Bund, Kommunen und Ländern bei Kanzlerin Angela Merkel müsse ein Eckpunktepapier zur Verteilung der Mittel aus dem Dieselfonds beschlossen werden. Merkels Parteikollegin Lohse sagte zudem, die Städte seien nicht die Verursacher des Stickoxid-Problems. "Ganz stark in der Verantwortung steht die Automobilindustrie."
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist verärgert über die Umsetzung des vor Monaten beschlossenen milliardenschweren Dieselfonds für bessere Luft in Kommunen. "Bisher sehen wir viel Bürokratie, ohne dass die in Aussicht gestellten Finanzmittel auch nur in Ansätzen vorhanden wären. Das hat sich vor einigen Monaten noch ganz anders angehört", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. "Es ist mehr als ärgerlich, dass wir hier Zeit damit verspielen, eine Förderbürokratie aufzubauen. Viele Kommunen stehen in den Startlöchern und sind nun zur Untätigkeit verdammt."
Landsberg sagte: "Uns läuft die Zeit davon." So könnten etwa Dieselbusse schnell und wirksam nachgerüstet werden. Es sei höchste Zeit, dass am Dienstag klar dargelegt werde, wie viel Geld bis wann wofür zur Verfügung stehen werde. "Die Städte mit Fahrverboten lahmzulegen, ist keine Alternative, das müssen und werden wir verhindern. Denn sonst wird dem kommunalen Leben tatsächlich der Stecker gezogen."
Lohse sagte, die Städte benötigten rasch Förderrichtlinien. "Falls diese jetzt noch nicht fertig sind, müssen Städte dennoch unbürokratisch mit Sofortmaßnahmen zur Luftreinhaltung beginnen können." Die Städte brauchten Handlungssicherheit, wenn sie Sofortmaßnahmen umsetzten, bevor ein endgültiger Förderbescheid vorliege. Der Bund müsse Vorleistungen von Dienstag an auf die Förderung anrechnen.
Bei dem Treffen mit Merkel müsse es Klarheit darüber geben, dass die etwa 90 besonders durch Stickoxide belasteten Städte die zugesagten Mittel aus dem Fonds nutzen könnten. Nach dem ersten Treffen zwischen Vertretern der Kommunen und der Bundesregierung Anfang September hätten die Städte zahlreiche Ideen geliefert (siehe unten).
+++ 14.15 Uhr Berlins Regierungschef unzufrieden +++
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, sagte dem "Handelsblatt": "Die Dieselgipfel haben bisher nichts gebracht". (...) Wir haben vom Bund wenig Substantielles gehört, auch nicht, wie die versprochenen Fördermittel in die Länder und Kommunen gelangen sollen." Ihm sei nicht klar, wie so Fahrverbote verhindert werden sollten, fügte er hinzu.
+++ 14.00 Uhr Kretschmann kommt nicht +++
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann erteilt dem Dieseltreffen in Berlin eine Absage. Weil es sich abzeichne, dass dort keine weitreichenden Entscheidungen zu erwarten seien, kommt Kretschmann nicht persönlich, sondern schickt seinen Staatsminister Klaus-Peter Murawski.
Baden-Württembergs Regierungssprecher Rudi Hoogvliet sagte, das Land trete in Vorleistung und bringe einen eigenen Fonds für Luftreinhaltung auf den Weg. "Er soll schnell Mittel für Luftreinhaltemaßnahmen aller betroffenen Kommunen anbieten, solange und soweit die Mittel des Bundes nicht zur Verfügung stehen."
+++ 13:00 Uhr Deutsche Umwelthilfe +++
Mit Projekten für eine bessere Luftqualität können Städte aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe drohende Diesel-Fahrverbote vermeiden. "Es gibt 20 bis 25 Städte, die die Grenzwerte unter zehn Prozent überschreiten, die können durchaus mit den eingeleiteten Maßnahmen und Nachrüstungen um Fahrverbote herumkommen", sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Dies wären etwa ein Drittel der Städte, denen Fahrverbote drohen. "Die anderen brauchen weitergehende Lösungen, da werden Nachrüstungen etwa von Bussen nicht reichen. Eventuell aber fallen Diesel-Fahrverbote weniger drastisch aus."
Resch sagte, es gehe um Maßnahmen, die kurzfristig dazu führten, dass die Belastung mit Stickstoffdioxid reduziert werde. "Die können durchaus mit der einen Milliarde finanziert werden als ein erster Schritt." Von allen Maßnahmen sei die Nachrüstung der häufig sehr schmutzigen Bus- und Kommunalfahrzeugflotten die wirkungsvollste Einzelmaßnahme. Die Deutsche Umwelthilfe hatte eine Vielzahl von Klagen vor Gerichten eingereicht, damit Luftreinhaltepläne eingehalten werden.
+++ 12:00 Uhr Verkehrsminister erwartet Einhaltung der Zusagen +++
Die Bundesregierung drängt weiter auf einen Beitrag der Autohersteller an der geplanten Förderung von Maßnahmen für sauberere Luft in Städten. "Der Bund steht zu seinen finanziellen Zusagen" sagte der geschäftsführende Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ich erwarte aber auch von der Automobilindustrie, dass sie ihrer Verantwortung gerecht wird und ihre Zusagen einhält." Schmidt sagte: "Unser Ziel ist es, Fahrverbote zu vermeiden und die Luft in unseren Städten schnell und wirksam zu verbessern."
+++ HINTERGRUND: Was Städte mit dem Geld aus dem Dieselfonds planen +++
Der Deutsche Städtetag hat in einer (nicht vollständigen) Liste mögliche Sofortmaßnahmen von Städten gesammelt.
- Aachen würde bei einer Förderung durch den Mobilitätsfonds von Bund und Automobilindustrie beispielsweise rasch Ladesäulen in Wohnquartieren, auf Supermarktflächen und in Parkhäusern einrichten und E-Fahrzeuge bei Parkflächen bevorzugen.
- Bielefeld würde umgehend den Einsatz von Brennstoffzellenbussen testen. Es liegen fertige Pläne vor, um die Verkehrsführung auf einem Platz im vielbefahrenen Innenstadtbereich zu verändern und dort das Verkehrsaufkommen zu reduzieren.
- Bochum beabsichtigt, sechs E-Fahrzeuge zu erwerben. An einem Emissionsschwerpunkt sollen Flächen entsiegelt, Mittelinseln begrünt und Mooswände errichtet werden.
- In Düsseldorf könnte man sofort unter anderem sogenannte Solar-Carports für die Betriebshöfe beschaffen, die Ampelsteuerung an einer Hauptverkehrsstraße für einen besseren Verkehrsfluss anpassen sowie eine Mobilstation an einem Verkehrsknotenpunkt und eine passende Mobilitäts-App zum Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel einrichten.
- Köln möchte kurzfristig Mobilitätsstationen aufbauen, den ÖPNV und andere Verkehrsmittel vernetzen sowie übergreifende Informations- und Bezahlsysteme einrichten. Außerdem sollen mehr als 1000 neue öffentliche Fahrradabstellplätze entstehen und die E-Ladeinfrastruktur ausgebaut werden.
- Freiburg im Breisgau möchte als Sofortmaßnahme die Umstellung einer Buslinie auf E-Busse vorzeitig umsetzen.
- Hansestadt Hamburg könnte unmittelbar die Umstellung von Busbetriebshöfen auf elektrische Ladeinfrastruktur angehen. Die Stadt würde die automatische Fahrgasterfassung und digitales Ticketing testen sowie die Beschaffung von Euro-6-Bussen und Elektrobussen vorziehen.
- Kiel möchte das vollelektrische Angebot bei Carsharing-Anbietern und die Ladeinfrastruktur ausbauen sowie eine Fahrradakkuladestation und neue überdachte Fahrradparkplätze errichten. Zehn Hybridbusse sollen gekauft werden.
- Ludwigshafen am Rhein möchte den Verkehrsrechner aufrüsten, um damit zentral ein umweltorientiertes Verkehrsmanagement in der Stadt zu steuern. Die Busflotte soll schneller mit Euro-6-Fahrzeugen mit Hybridantrieb erneuert werden.
- Mainz würde kurzfristig 98 Dieselbusse mit Filtertechnologie zur Reduzierung der realen Emissionen nachrüsten und weitere 23 Busse vorgezogen neu beschaffen. Außerdem könnte sie 100 Nutzfahrzeuge der Behörden und der Abfallwirtschaft (zum Beispiel Lkw, Pkw, Geräte, Maschinen) auf emissionsarme- und emissionsfreie Antriebe umstellen.
- Wiesbaden will beginnen, die komplette Flotte von 221 Dieselbussen durch batteriebetriebene E-Busse zu ersetzen, Fahrzeuge für die CityBahn beschaffen und das neue, gemeinsam mit Mainz betriebene Fahrradvermietsystem mit 500 E-Bikes ausbauen.
- München würde umgehend ein Pilotprojekt beginnen für leichte Nutzfahrzeuge wie batteriebetriebene Kehr- und Baumaschinen und mit Herstellern zusammenarbeiten. Tram- und U-Bahnen zur Erweiterung des ÖPNV-Angebotes würden sofort ausgeschrieben werden.
- Nürnberg würde umgehend weitere Mobilitätsstationen einrichten mit Stellplätzen für Carsharing, Fahrräder und Verleih an Haltestellen des ÖPNV. Außerdem sollen die Busflotte auf elektrischen Antrieb umgestellt und zusätzliche Straßenbahnzüge und U-Bahnwagen angeschafft werden.
- Reutlingen möchte unverzüglich 20 Batteriebusse beschaffen und damit das Stadtbusnetz um 10 neue Buslinien erweitern mit erwarteten 2 Millionen neuen Fahrgästen jährlich. Außerdem sollen 20 E-Ladesäulen im Stadtgebiet aufgebaut werden.
- Stuttgart würde neben vielen anderen Maßnahmen umgehend weitere vollelektrische Fahrzeuge, Pedelecs und eRoller für Stadtverwaltung und Stadtwerke beschaffen. Außerdem möchte die Stadt eine Abwrackprämie für Mopeds und Motorräder (Krafträder mit Zweitaktmotor) bei Kauf eines Elektro-Zweirades anbieten. (dpa/ree)
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