Wolfsburg. Volkswagen greift nach der vollen Macht bei seiner Tochter Scania. An diesem Freitag endet dabei eine wichtige Frist. Fragen und Antworten zu einer der seit langem größten VW-Baustellen.
Worum geht es überhaupt?
Der VW-Konzern ist größter Scania-Aktionär und will den schwedischen Nutzfahrzeug-Spezialisten am liebsten komplett übernehmen. Dafür hat VW den restlichen Scania-Aktionären ein Kaufangebot unterbreitet. Die Offerte schlägt gut 50 Prozent als Bonus auf den Durchschnitt des jüngsten Scania-Aktienkurses drauf. Das Angebot endet diesen Freitag. Die Skandinavier sind hochprofitabel, stehen aber noch nicht komplett unter VW-Dach. Damit fehlt den Wolfsburgern der direkte Durchgriff auf die Schweden. Den wollen sie unbedingt haben, um ihrer internen Nutzfahrzeugallianz endlich einen einheitlichen Guss zu verpassen. Neben Scania gibt es da noch die Lkw-Tochter MAN und die leichten Nutzfahrzeuge mit VW-Logo, wozu etwa Transporter und Pick-ups zählen.
Wie sind die Mehrheitsverhältnisse aktuell?
Volkswagen will mit seinem Angebot in den Besitz von mehr als 90 Prozent der Aktiengesamtzahl gelangen und plant, Scania am Ende von der Börse zu nehmen. VW ist bereits seit 2000 an Scania beteiligt und hält heute direkt und indirekt über MAN 89,2 Prozent der Stimmrechte und 62,6 Prozent des Kapitals an dem Nutzfahrzeugunternehmen.
Warum muss es denn überhaupt der Komplettbesitz sein?
Der VW-Konzern kann noch nicht so, wie er gerne würde. Hintergrund ist ein Schutz für die Scania-Minderheitsaktionäre. So dürfen sich etwa die Lkw-Bauer MAN und Scania keine Freundschaftspreise machen, obwohl sie ja beide zur VW-Familie gehören. Dasselbe Problem hatte VW bereits mit der Tochter Porsche, als sie noch nicht komplett unter VW-Dach stand. VW sagt, es sei derzeit noch «nicht möglich, das volle Potenzial einer engeren operativen Zusammenarbeit zwischen Volkswagen und Scania sowie zwischen MAN und Scania zu realisieren». Die übrigen Scania-Aktionäre könnten gegen Freundschaftspreise klagen. Um die vollen Sparmöglichkeiten im Geschäftsalltag zu heben, muss VW zum alleinigen Scania-Herr werden. Daher läuft nun das Kaufangebot.
Was ist VW die Komplettübernahme wert?
Die Wolfsburger bieten für die zwei verschiedenen Aktienformen - es gibt bei Scania A- und B-Scheine - je 200 Schwedische Kronen. Das ist ein Aufschlag von gut 50 Prozent. Es sind noch knapp 300 Millionen Aktien auf dem Markt, die noch nicht VW zuzurechnen sind. Für sie ergibt sich mit der Offerte rund 6,7 Milliarden Euro Gesamtwert.
Ist absehbar, ob das Angebot zur Komplettübernahme durchkommt?
Bisher gab es von Aktionärsgruppen sowohl Zu- als auch Absagen. Erst diesen Donnerstag willigte die hinter VW zweitgrößte Aktionärsgruppe Swedbank Robur bei der Offerte ein. Sie hält 1,87 Prozent vom Kapital. Volkswagen will spätestens am 30. April über den Ausgang informieren. Die Angebotsfrist läuft bis einschließlich 25. April.
Woran hakt es bei MAN und Scania?
Beide verbindet eine sehr bewegte Vergangenheit. Vor rund sieben Jahren wollte MAN die Schweden bereits schlucken - und bekam heftigen Widerstand zu spüren. Die Folge war ein monatelanger Übernahmepoker mit stetig rauer werdendem Ton. Die Übernahme scheiterte am Ende. Schon damals war VW an MAN beteiligt. Der damalige Scania-Chef Leif Östling verstieg sich gar zu einem «Blitzkrieg»-Vergleich. Heute ist er derjenige, der die Zusammenarbeit der beiden stolzen Lkw-Marken unter dem VW-Dach koordinieren soll. Im Februar 2015 wird er vom früheren Daimler-Manager Andreas Renschler abgelöst.
Inwieweit ist die Renschler-Personalie bei Scania von Bedeutung?
Damit werde die Verzahnung der Nutzfahrzeuge «weiter forciert», wie es Volkswagen-Chef Martin Winterkorn jüngst in einem Interview mit dem «Manager-Magazin» ausdrückte. Der Konzern ist für seine zentrale Führung bekannt. Renschler soll mit vollem Zugriff auf Scania die Lkw-Allianz nach Jahren des Zögerns antreiben. Sie wird laut VW mindestens 650 Millionen Euro Einsparmöglichkeiten pro Jahr freilegen. Diese Summe soll in 10 bis 15 Jahren erreicht sein.
Wo steht der VW-Konzern im Vergleich zur Konkurrenz?
Entscheidend bei den Nutzfahrzeugen ist, noch weit vor den Bussen, das Geschäft mit den Lastern. Je nach Zählweise variiert dabei die Weltmarktführerschaft. Daimler hat jüngst den Lkw-Absatz jenseits der sechs Tonnen gezählt. Demnach führten die Schwaben 2013 mit 349.000 weltweiten Lkw-Zulassungen. Es folgten die Chinesen von Dongfeng mit 239.000 Zulassungen. Dahinter liegen die Volkswagen-Gruppe, FAW aus China und Volvo aus Schweden mit jeweils rund 170.000 Zulassungen. (dpa/gem)