Volkswagens Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hat die Diesel-Schadstofftests mit Affen als "in keinster Weise nachvollziehbar" bezeichnet. "Im Namen des gesamten Aufsichtsrates distanziere ich mich mit allem Nachdruck von derlei Praktiken", sagte Pötsch am Montag in Wolfsburg. Die Vorgänge müssten "vorbehaltlos und vollständig aufgeklärt werden". Er kündigte an, dass sich der Aufsichtsrat bald mit dem Thema beschäftigen werde. "Ich werde alles dafür tun, dass der Vorgang umfassend untersucht wird. Wer auch immer dafür Verantwortung zu tragen hat, ist selbstverständlich zur Rechenschaft zu ziehen."
VW-Vertreter verurteilen Schadstofftests an Affen
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte umfassende Aufklärung. Geklärt werden müsse auch, ob es weitere Testreihen dieser Art und zu diesem Zweck an und mit Menschen gegeben habe, sagte der SPD-Politiker, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt. Bereits am Wochenende habe er die Versuche als "absurd und widerlich" bezeichnet - dies gelte erst recht, wenn es zu Versuchen an Menschen gekommen sein sollte. Die Vertreter des Landes Niedersachsens im Aufsichtsrat wollten "noch heute" eine dringliche Aufforderung zur Aufklärung an den Volkswagen-Vorstand richten.
Weil betonte, das Verhalten des Konzerns müsse in jeder Hinsicht auch ethischen Ansprüchen genügen. Es wäre im Interesse aller gewesen, wenn der Vorgang früher bekannt gewesen wäre. Maßgeblich sei der Zweck solcher Testreihen - gehe es darum, die Belastung am Arbeitsplatz zu testen, lasse sich das vertreten. Dienten die Testreihen aber Marketing und Verkaufsförderung, "fällt mir keine auch nur von ferne akzeptable Begründung für ein solches Vorgehen ein". Das Land Niedersachsen ist VW-Großaktionär.
Vorsorglich hat der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Bernd Althusmann hat nach den Tierversuchen beim Test von Dieselabgasen vor Vertuschung gewarnt. "Die Verantwortlichen für diese Versuche verschiedener Autobauer werden sich jetzt ihrer Verantwortung stellen müssen", forderte der CDU-Politiker. "Hier darf es kein Vertuschen oder Verharmlosen geben. Ich rate dringend dazu, hier alles auf den Tisch zu legen." Es seien ethische Grenzen überschritten worden, was weder entschuldbar noch nachvollziehbar sei. Solche Versuche seien "dumm und töricht", den Diesel-Skandal womöglich verharmlosen zu wollen, sei dreist.
VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh hat nach Diesel-Schadstofftests mit Affen in den USA kurzfristig personelle Konsequenzen gefordert - sollten Verantwortliche noch bei VW beschäftigt sein. "Der Aufsichtsrat ist sich einig: Hier muss schnellstmöglich lückenlos aufgeklärt werden", betonte Osterloh. "Als VW-Konzernbetriebsrat sind wir erschüttert. Hier sind offensichtlich ethisch-moralische Grenzen überschritten worden." Für die Volkswagen-Beschäftigten distanziere er sich klar.
Nach Angaben des zuständigen Institutsleiters Thomas Kraus von der Universität Aachen haben die Tests keinerlei Verbindung mit dem Abgas-Skandal. Die Studie von 2013 - lange vor dem VW-Dieselskandal - habe sich mit dem Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz befasst, erklärte Kraus am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Weil der Grenzwert herabgesetzt worden sei und es keine Studien zu Menschen gegeben habe, seien 25 gesunde Menschen Belastungen ausgesetzt worden, die unterhalb der Belastungen am Arbeitsplatz lägen. Die Ethikkommission habe die 2016 veröffentlichte Studie als vertretbar bewertet.
Allerdings habe die von den Konzernen VW, Daimler und BMW gegründete Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) die Studie gefördert, die Forscher jedoch "in keinster Weise" beeinflusst, sagte Kraus.
Stickstoffdioxid (NO2) ist der Schadstoff, dessen Messwerte von VW in den USA jahrelang manipuliert worden waren, um die gesetzlichen Grenzwerte für Dieselfahrzeuge offiziell einzuhalten. Tierversuche beim Test von Dieselabgasen hatten zuvor Empörung ausgelöst. Sie wurden durch US-Ermittlungen zur VW-Abgasaffäre bekannt. Affen waren dabei gezielt Schadstoffen ausgesetzt worden.
Kraus erklärte, die NO2-Konzentration für die Studie sei vergleichbar mit der in der Umwelt gewesen. Die Probanden seien dieser Konzentration für drei Stunden ausgesetzt worden, gesundheitliche Effekte habe es nicht gegeben. "Es gibt keinen Zusammenhang mit dem Dieselskandal", betonte er.
Auch Volkswagen selbst hat den Verdacht, es gebe eine Verbindung zwischen den Tests und dem Abgas-Skandal, zurückgewiesen.
Volkswagen hatte sich am Wochenende für die Versuche in den USA entschuldigt, bei denen Affen gezielt Schadstoffen ausgesetzt worden waren. Diese Tests waren Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat. Deshalb hatte die EUGT ("Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor") - eine von VW , Daimler und BMW finanzierte Lobby-Initiative - sie beim US-amerikanischen Lovelace Respiratory Research Institute in Auftrag gegeben. Federführend war laut Studienleiter dabei VW. (dpa/swi)
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