Wolfsburg/Tokio. Noch ist es Toyota. Doch der Volkswagen-Konzern könnte sich in diesem Jahr erstmals zum Absatzkönig der Branche aufschwingen. Trotzdem wäre ein solches Überholmanöver vorbei am Rivalen nur ein Etappensieg - und der Absatz bei weitem nicht das wichtigste Ziel.
In dieser Kategorie konnten die Japaner 2014 ihren Platz eins noch verteidigen. Doch nun macht ihnen die heimische Wirtschaftspolitik einen Strich durch die Wachstumsrechnung - Toyota erwartet 2015 einen leichten Rückgang der Verkaufszahlen. Und so sieht Analyst Frank Schwope von der NordLB den VW-Konzern in diesem Jahr mit 10,5 Millionen Fahrzeugen klar vor Toyota und Generals Motors.
Der Titel Absatzweltmeister ist imageträchtig. Allerdings macht er die Autos eines Herstellers nicht besser und sorgt nicht per se für blendende Geschäfte. Bei zu rasantem Wachstum droht sogar das Gegenteil. Toyota zog daraus schon seine Lehren und nahm nach einer Serie von Qualitätsproblemen und Rückrufen den Fuß vom Gas. Auch Volkswagen schwenkt seit geraumer Zeit um - auf der Zielgeraden.
Dabei glänzen die Zahlen zum VW-Wachstumstempo auf den ersten Blick nur so: 2007 zählte der Konzern 50 Fabriken, inzwischen sind es 107. Unter der Ägide des aktuellen VW-Chefs Martin Winterkorn verdoppelte sich seit 2007 der Umsatz fast (2006: 105 Milliarden Euro). Seither ist die Belegschaft inklusive der Übernahmen um locker 80 Prozent oder 269 000 Mitarbeiter gewachsen und kratzt an der 600.000er-Marke. Der Jahresabsatz hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.
Trotzdem kamen schon zur Jahresbilanz im März 2014 warnende Worte von Winterkorn: «Der Anspruch des Konzerns lautet jetzt mehr denn je: «qualitatives Wachstum».» Im Sommer folgen Taten und ein Sparprogramm, das die Kosten allein bei der renditeschwachen Hausmarke VW-Pkw bis 2017 um fünf Milliarden Euro drosseln soll.
In einem Weckruf vor rund 1000 Führungskräften nutzte Winterkorn sogar die Worte «Strategie» und «scheitern» in einem Satz und meinte damit den selbstverordneten Weg zur Weltmarktführerschaft bis 2018. Denn diese 2018-Strategie macht neben Absatz- auch Renditevorgaben, die bisher weit entfernt erscheinen.
Vieles steht seither auf dem Prüfstand: Komplexität ist das Wort der Stunde in dem Zwölf-Marken-Konzern, der mehr Außenspiegel als Automodelle führt. Das bläht die Entwicklung auf und zieht Rattenschwänze bis zur Ersatzteilkette nach sich. Komplex sind mitunter auch Entscheidungswege, der Wolfsburger Zentralismus im Konzern ist legendär - und wird immer öfter überdacht. Ein Beispiel: auf dem wichtigen US-Markt, wo VW nicht voran kommt, soll demnächst mehr Eigenverantwortung, in dem mehr Ingenieure direkt dort und nicht mehr nur in Wolfsburg neue Ideen entwickeln sollen.
Sorgenkind Nummer eins bleibt die Pkw-Kernmarke mit dem VW-Logo. Ihre Gewinnkraft dümpelte zuletzt bei zwei Prozent. Sechs Prozent sollen es 2018 sein. NordLB-Analyst Schwope hält das «dauerhaft für unerreichbar». Selbst Daimlers Premiummarke Mercedes-Benz habe seit 2000 im Schnitt nur 5,1 Prozent des Umsatzes als Gewinn eingefahren.
Dass das auch Volumenmarken gelingen kann, zeigt ausgerechnet der Rivale aus Japan: Toyota fährt Renditen ein wie sonst nur die Oberklasse. Eine Erklärung: Die Japaner kommen mit rund 60 Prozent der VW-Belegschaft auf ähnliche Produktionsgrößen.
Trotzdem steuern die Wolfsburger weiter auf Expansionskurs und eröffnen ähnlich wie GM vor allem in China Fabrik um Fabrik. Dagegen hat sich Toyota einen Ausbau-Stopp verordnet. Nachdem die Japaner Ende des vergangenen Jahrzehnts mit Qualitätsproblemen zu kämpfen hatten und Abermillionen Autos mit großem Imageschaden in die Werkstätten riefen, trat Gründer-Enkel Akio Toyoda die Bremse. Bis mindestens 2016 soll es kein neues Werk geben.
Dagegen verplant VW bis 2019 inklusive seiner China-Geschäfte weit über 100 Milliarden Euro an Investitionen für neue Modelle, Technologien - und eben Fabriken. Das soll den Erfolg sichern. Die Renditeziele für 2018 macht es aber nicht zum Selbstläufer. (dpa/gem)