Die Konjunkturwolken über Deutschland verdunkeln sich nach Ansicht von Volkswirten im Herbst weiter. Von einer Herbstbelebung auf dem Arbeitsmarkt könne keine Rede sein, die Situation vor allem in der Industrie sei schwierig, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Volkswirten führender Institute. Die Probleme der Autoindustrie, die Flaute beim Export und politische Risiken wie Welthandel und Brexit drücken auf die Stimmung.
Auf den Arbeitsmarkt schlagen die Probleme vorläufig noch nicht maßgeblich durch. Die Experten sehen für das Jahr 2019 noch sinkende Arbeitslosenzahlen, wenngleich längst nicht mehr in dem Tempo, wie dies noch im vergangenen Jahr und in den ersten Monaten 2019 zu beobachten war.
"Der Konjunkturabschwung macht dem Arbeitsmarkt zwar zu schaffen, aber der hält sich nach wie vor gut", sagte Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Der Stellenindex BA-X sank im September leicht. Die Bundesagentur stellt an diesem Montag ihre Statistik für den Monat September vor.
"Mit einer großen Portion Glück ist die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal 2019 zwar vermutlich noch knapp an einer Rezession vorbeigeschlittert", sagte Katharina Utermöhl von der Allianz. "Doch die zunehmende Eintrübung vorliegender Frühindikatoren deutet darauf hin, dass die derzeitige konjunkturelle Schwächephase keine Einjahresfliege ist."
Die Allianz rechne für Deutschland im laufenden und im nächsten Jahr mit einem Plus von 0,6 Prozent bei der Wirtschaftsleistung. Dies bedeute, dass Deutschland nur halb so schnell wachse wie der Rest der Eurozone. "Deutschland ist von einem Zugpferd zu einem Land geworden, das hinterherhinkt", sagte Utermöhl.
Es sei aktuell noch kein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu erwarten, auch weil die Unternehmen ihre Fachkräfte nicht vorschnell preisgeben wollen. Ende 2020 werde jedoch im Vergleich zu Ende 2018 ein Anstieg um 90.000 erwartet.
Marc Schattenberg von der Deutschen Bank sieht die Lage noch etwas schwieriger und geht von einer technischen Rezession bereits im dritten Quartal 2019 aus. Von einer technischen Rezession wird gesprochen, wenn die Wirtschaftsleistung in mindestens zwei Quartalen in Folge schrumpft. "Wir sehen kein Licht am Ende des Tunnels", sagte Schattenberg.
Konjunktur und Arbeitsmarkt würden gegenwärtig noch vom beschäftigungsintensiven Baugewerbe und vom Dienstleistungssektor gestützt. Es sei aber zu erwarten, dass die Schwäche der bereits in der Rezession befindlichen Industrie irgendwann übergreife. Die Hoffnung auf eine Belebung am Jahresende werde sich nicht erfüllen - zumal mit den Risiken aus den internationalen Handelskonflikten und dem Brexit große Unwägbarkeiten noch immer nicht ausgeräumt sind. Die Chance auf einen Brexit ohne Abkommen mit dann unvorhersehbaren Folgen für die Wirtschaft taxiert Schattenberg derzeit auf 50 Prozent.
Wenig Grund zum Optimismus sieht auch Martin Müller von der Bankengruppe KfW. "Der leichte Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal wird sich in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich fortsetzen. Die Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung sehen deutlich schlechter aus als noch im Frühjahr", betonte er.