Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat die Dieselfahrverbote in Städten derweil scharf kritisiert. Die Verbote schränkten viele Privatleute und Gewerbetreibende in ihrer grundgesetzlich garantierten persönlichen und beruflichen Freiheit ein, sagte Andreas Krämer von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.
Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel erscheine irrational, sagte der Rechtsanwalt auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar. Er sei vollkommen willkürlich gewählt. An vielen Arbeitsplätzen herrsche eine höhere Schadstoff-Belastung.
Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, wies dagegen die Kritik der Lungenärzte zurück. Die geltenden Grenzwerte seien das Ergebnis vieler Studien, sagte er dem rbb "Inforadio". Sie zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gebe.
Bei der Ärzte-Kritik handle es sich um eine rein politische Erklärung und nicht um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung. "Seit 2010 sind diese Grenzwerte einzuhalten. Das tun wir nicht, aber nicht deshalb, weil die Grenzwerte falsch sind, sondern weil die Industrie dreckige Autos verkauft hat und weil die Verkehrspolitik tatenlos zugeguckt hat", sagte Flasbarth.
Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, erklärte, in der Debatte würden seltsame Vergleiche gezogen. "Wenn es heißt, dass es zwar Tote durch Lungenkrebs gebe, jedoch nicht durch Feinstaub oder Stickoxid, dann ist das irreführend: Auch ein Raucher stirbt nicht am Rauch selbst, sondern an den Folgen, ob das Lungenkrebs oder Herzinfarkt ist."
Während der Einzelne sich bewusst gegen das Rauchen entscheiden könne, sei er den schädlichen Stoffen an Straßen schutzlos ausgeliefert, so Hofreiter Die Politik habe die Aufgabe, Risiken zu minimieren und die Bürger vor Gefahren zu schützen. Die Gefahr treffe besonders Kinder, Schwangere und Ältere an viel befahrenen Straßen. "Wer das nicht ernstnimmt, handelt fahrlässig."
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält eine mögliche Aussetzung des Feinstaubgrenzwertes für verantwortungslos. "Wir haben keine Studien, die derzeit die Gefährdung in Frage stellen würden. Im Gegenteil - die neueren Studien zeigen, dass die Grenzwerte eher zu hoch als zu niedrig sind", sagte Lauterbach MDR Aktuell. Und: "Ich bitte hier gerade den Schutz von älteren Menschen und von Kindern zu beachten."
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) reagierte mit Kritik auf die Aussagen von Scheuer und des CDU-Wirtschaftsrats. Scheuer kröne sich zum "Schutzpatron der Autoindustrie", sagte Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. "Ein Aussetzen der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide wäre ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die unter den Folgen schlechter Luft zu leiden haben." Statt die wissenschaftlich belegten negativen Auswirkungen von NO2 und Feinstaub "wissenschaftlich haltlos" in Frage zu stellen, müsse Scheuer dafür sorgen, dass Dieselfahrzeuge sauberer würden. (dpa)
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