Berlin. Unfälle, Baustellen oder einfach zu dichter Verkehr sorgen für mehr Staus, als Autofahrern lieb sein kann. Auf fast eine Million beziffert der ADAC die Staukilometer im Jahr 2014. Das ist ein neuer Rekord und entspricht rund 285.000 Stunden oder auch 32 Jahren Stillstand. Verkehrslagedienste, die in Echtzeit darüber informieren, wo es sich staut, wo es zäh und wo problemlos fließt, versprechen Erleichterung und Zeitersparnis.
«Die modernen Systeme sind internetbasiert und legen als Overlay die Verkehrssituation auf die jeweilige Navigationskarte», erklärt Johannes Weicksel vom IT-Verband Bitkom. Anders als bei schon länger bestehenden Systemen wie TMC (Traffic Message Channel), wo die Informationen von der Polizei, Kontaktschleifen in der Fahrbahn oder Staumeldern stammen, werden die Daten nicht per UKW-Radio verteilt. «Die Idee ist, verschiedene Quellen zu nutzen und diese um die Rückmeldung von Endgeräten der Nutzer zu ergänzen», sagt Weicksel.Dabei gibt es in Deutschland im Wesentlichen nur vier Anbieter, die in Echtzeit Informationen liefern. Das sind die Unternehmen Inrix, der Navigationsanbieter Tomtom, der Internetriese Google und Here, das derzeit noch zu Nokia gehört und unter anderem einen mit Google Maps vergleichbaren Kartendienst mit weitreichenden Verkehrsinfos bietet. Dessen Live-Daten werden auch an andere Navi-Anbieter wie etwa Garmin verkauft.Alle nutzen eine Kombination verschiedener Datenquellen, wobei die wichtigsten Infos von den jeweiligen fest verbauten oder portablen Navigationsgeräten der Hersteller oder von Smartphones kommen. Tomtom, Inrix und Here verwenden für ihre Live-Dienste zusätzlich Tracking-Daten von Fahrzeugflotten. Andreas Erwig, Traffic-Experte bei Tomtom, sagt, dass inzwischen nur noch GPS-Daten verwendet würden und man nicht mehr wie früher auf Daten aus Mobilfunknetzen angewiesen sei, die in ihrer Genauigkeit wegen der Größe der Funkzellen begrenzt sind.In die Autos oder auf die mobilen Endgeräte kommen die Daten dann fast immer über das Mobilfunknetz. Wobei «live» streng genommen eine Übertreibung ist, so Erwig. «Eine 1-zu-1-Abbildung des Verkehrs kann es nicht geben, die Latenzzeit bei uns beträgt etwa zwei Minuten.» Dabei werden die Daten auf den Tomtom-Servern alle 30 Sekunden aktualisiert. Um einen guten Kompromiss zwischen Aktualität und Datenverbrauch zu finden, habe man aber für das Update beim Endnutzer ein größeres Intervall gewählt.Was der Nutzer dann auf seiner Navikarte sieht, also ob die Straße etwa wegen eines Staus rot hinterlegt ist oder grün bei freier Fahrt, ermittelt ein Algorithmus. Bei Tomtom basiert die Berechnung auf der «nächtlichen Freiflussgeschwindigkeit», erklärt Erwig. Das sei das Tempo, mit dem der Verkehr nachts unter normalen Umständen an einer bestimmten Stelle fließt. Liegt die anhand von Nutzerdaten ermittelte Geschwindigkeit 30 Prozent darunter, könne man von einem Stau ausgehen. Basierend auf dem errechneten Zeitverlust schlägt das Navi oder die Navi-App dann eine Ausweichroute vor - wenn es sich lohnt. Der Autofahrer kann meist selbst entscheiden, ob er den Vorschlag annimmt.«Man muss, wenn man sich für Live-Traffic-Dienste interessiert, berücksichtigen, dass es ohne Datenverbindung nicht funktioniert», gibt Hans-Christian Dirscherl von der Zeitschrift «PC Welt» zu bedenken. Insofern gilt auch für in den Autos fest eingebaute Navis, dass sie eine Sim-Karte mit Datenvertrag benötigen.. «Es gibt da verschiedene Ansätze, bei denen entweder die Sim-Karte im Auto verbaut ist, oder die Daten werden über das eigene Smartphone bezogen», sagt Dirscherl.Praktischer sind laut Dirscherl die Inklusivlösungen der Autohersteller, aber man muss sie extra bezahlen. «In den ersten Jahren ist das oft kostenlos, aber früher oder später muss man ein Abo abschließen.» Wer die Live-Daten hingegen über das eigene Smartphone bezieht, sollte den Datenverbrauch im Auge behalten. «Im Ausland kommen außerdem noch Roaming-Kosten hinzu, wenn man die Datenverbindung dort nutzt. Bei einer zweiwöchigen Urlaubsreise kann das ganz schön teuer werden», sagt der «PC Welt»-Autoexperte.Laut Andreas Erwig von Tomtom arbeiten viele Autohersteller mit Mobilfunkanbietern zusammen. «Die verbauen dann meist Sim-Karten, bei denen europäisches Roaming inklusive ist», sagt er. Je nach Vertrag und Hersteller sind die Kosten für zwei bis drei, in manchen Fällen aber auch für fünf bis sieben Jahre inklusive. Gerade bei den Premiumherstellern ist das ganze Konnektivitätspaket aber kein billiges Vergnügen, wie Dirscherl weiß. «In Verbindung mit den Navigationssystemen wird man da bei Mercedes, BMW, Audi - und übrigens auch bei VW - leicht an die 3000 Euro oder mehr los.»Portable Geräte sind da deutlich günstiger, funktionieren ansonsten aber ähnlich. Auch hier gibt es Geräte mit fest verbauten Sim-Karten oder solche, die die Anbindung über das Smartphone nutzen. Auch hier besteht die Möglichkeit, Abonnements abzuschließen, insbesondere in hochpreisigen Geräten um die 300 Euro ist der Live-Traffic-Dienst aber auch lebenslang verfügbar. Noch günstiger kommt man per Google Maps an Echtzeitdaten zur Verkehrslage. «Wer ein Smartphone mit Android-Betriebssystem hat, hat Google Maps Navigation schon vorinstalliert», sagt Dirscherl.Die Verkehrslagedaten, die der Internetriese von Android-Smartphones mit aktivierter GPS-Funktion und eingeschaltetem Lokalisierungsdienst einsammelt, seien zumindest in Ballungsgebieten oder für Autobahnen ziemlich genau, so Dirscherl und daher für die meisten Autofahrer völlig ausreichend. «Auf dem Land, wo es eher mau aussieht, gibt es ja auch kaum Verkehrsbehinderungen.» Großer Vorteil: Der Dienst ist kostenlos. Allerdings steht das Kartenmaterial nicht offline zur Verfügung, was bedeutet, dass beim Navigieren relativ große Datenmengen übertragen werden müssen. Und man übermittelt seine Positionsdaten an Google, die immerhin anonymisiert sein sollen. Ähnlich gut wie Google Maps funktioniert laut Dirscherl übrigens der ebenfalls kostenlose und weniger bekannte Dienst Here.Ein wenig Vertrauen muss man allerdings in jedem Fall mitbringen, schließlich lassen sich ohne Positionsdaten keine Aussagen über die Verkehrslage treffen. Traffic-Experte Erwig von Tomtom sagt dazu: «Unser Geschäftsmodell basiert ausschließlich darauf, Informationen zum Zeitverlust zu sammeln und zu verkaufen.» Daher sammele man nur komplett anonymisierte GPS-Daten.Dirscherl und Weicksel gehen immerhin davon aus, dass die Daten zumindest bei den großen etablierten Anbietern sicher sind. «Bei Navi-Apps auf Smartphones ist es von den Anbietern abhängig, welche Daten erhoben werden, bei den namhaften Navigationsherstellern aber kann man sich meist sicher sein, dass mit den Daten kein Missbrauch betrieben wird», sagt Bitkom-Mann Weicksel. (dpa/gem)Live-Traffic-Dienste fürs Navi
Verkehrsfunk von der Datenautobahn
Die Verkehrsbelastung nimmt zu, Staus und zähfließender Verkehr sind vielerorts Alltag. Dabei lässt sich die Verkehrslage mit Hilfe von Live-Traffic-Diensten immer besser einschätzen. Moderne Navis können dabei helfen, viel Zeit und Stress zu sparen.
DAB+ statt UKW
Neben dem Internet können Live-Traffic-Daten auch über das digitale Radiosignal DAB+ übertragen werden. Analog zum früheren TMC via UKW ist hier die Bandbreite jedoch viel höher. So bietet Garmin seitkurzem Navis an, bei denen die gesammelten Daten des Dienstes Here so übertragen werden. «Das hat den Vorteil, dass ich keinen Zugang zumInternet brauche, mich nirgendwo anmelden muss und auch kein Aboabschließen muss», sagt Olaf Meng von Garmin. Die Genauigkeit derDaten sei identisch mit denen internetbasierter Lösungen.Voraussetzung ist allerdings der Empfang des DAB+-Signals. Der seizwar in weiten Teilen Deutschlands gewährleistet, so Mang, ansonstenaber nur in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Norwegen.
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