Nachdem bereits mehrere Gerichte entschieden haben, dass zahlreiche Autokreditverträge widerrufen werden können, hat das Landgericht Ravensburg als erstes deutsches Gericht der beklagten Autobank Wertersatz komplett versagt. Das bedeutet: Der Verbraucher erhält alle bereits gezahlten Raten zurück und muss der VW-Bank weder Wertersatz noch Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer zahlen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Volkswagen hat angekündigt in Berufung zu gehen.
Volkswagen äußert sich wie folgt zum Urteil: „Die Entscheidung des LG Ravensburg ist missverständlich. Unsere Klage auf den Wertersatz hat das Gericht nicht ausdrücklich abgewiesen. Inhaltlich halten wir die Entscheidung über den Widerruf für falsch."
Zum konkreten Fall: Der Kläger kaufte im Juni 2015 einen Gebrauchtwagen vom Typ Skoda Roomster 1.2 TSI für 10.960 Euro, den er bei der Volkswagen Bank finanzierte und mit dem er zwischenzeitlich rund 70.000 Kilometer gefahren ist. Noch im Mai 2017 widerrief er den Darlehensvertrag.
Dabei berief er sich darauf, von der VW-Bank bei Vertragsschluss fehlerhaft belehrt worden zu sein. Er verlangte von seiner Bank die Rückzahlung aller von ihm bislang gezahlten Raten, und zwar ohne Abzug für Schäden am Fahrzeug oder Ersatz für die zwischenzeitlich zurückgelegten rund 70.000 Kilometer. Zu Recht wie das Landgericht Ravensburg jetzt mit Urteil vom 7. August 2018 (Az. 2 O 259/17) entschied.
Nach dem wirksamen Widerruf müssen Kauf- und Kreditvertrag rückabgewickelt werden. Die Verbraucher müssen keinen Käufer für ihr Fahrzeug finden, sondern geben es einfach an die Bank zurück. Den Kredit müssen sie nicht mehr abzahlen.
Im Gegenteil: Die Bank muss die bisher gezahlten Kreditraten erstatten, ebenso die gesamte Anzahlung. Wertersatz für die Verschlechterung des Fahrzeugs oder Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer muss der Verbraucher nicht zahlen, wie das Landgericht Ravensburg jetzt entschieden hat.
Der Widerruf ist zeitlich unbeschränkt möglich, auch Jahre nach Vertragsabschluss und sogar nach Rückzahlung des Kredits. Vor allem Diesel-Fahrer, die vom Abgasskandal, von drohenden Fahrverboten oder ganz allgemein vom Wertverlust ihres Fahrzeugs betroffen sind, nutzen die Lücke in den Verträgen, um davon zurückzutreten. In der Branche ist vom "Widerrufsjoker" die Rede.
Insgesamt sind rund 1,5 Millionen Autokreditverträge der VW-Bank und deren Zweigniederlassungen Audi Bank, Seat Bank und Skoda Bank betroffen (Stand Dezember 2017). VW teilt auf Nachfrage mit: "Die Widerrufsbelehrungen werden laufend den aktuellen gesetzliche Vorgaben angepasst."
Rechtsanwalt Christof Lehnen von der Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig aus Trier, die den Kläger vertrat, erklärt: "Nicht nur die VW-Bank belehrt unzureichend. Praktisch alle Autobanken und Leasinggesellschaften belehren in ihren Verträgen nicht ordnungsgemäß über das sogenannte Widerrufsrecht."
Volkswagen teilt dazu mit: "Die überwiegende Anzahl der Verfahren vor deutschen Gerichten geht zu Gunsten der Volkswagen Bank und ihrer Zweigniederlassungen aus, das Verhältnis beträgt 8:1 in erster Instanz. Fakt ist außerdem, dass wir bislang noch kein Verfahren rechtskräftig verloren haben."
In zwei Verfahren (LG Paderborn und Ellwangen) haben die Richter der Volkswagen Bank den vollen Wertersatz zugesprochen, d.h. nicht nur den Wertersatz durch die gefahrenen Kilometer, sondern auch den durch die Erstzulassung entstandenen Wertverlust des Fahrzeugs. "Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass unsere Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und korrekt sind", teilt Volkswagen Financial Servicedes auf Nachfrage mit", "die Werbung vermeintlicher Verbraucheranwälte ist interessengetrieben und unseriös.“
Das Landgericht Hamburg hatte bereits am 29. Juni 2018 (Az. 330 O 145/18) ein ähnliches Urteil im Autokreditfall getroffen, allerdings handelte es sich hier um ein Versäumnisurteil. "Als solches bringt es zwar zum Ausdruck, dass der dortige Widerruf wirksam ist. Zur Frage des Wertersatzes trifft es hingegen keine Aussage", erklärt die Kanzlei.
Das LG Hamburg hatte für seine Entscheidung Formfehler im Kreditvertrag geltend gemacht, es ging dabei um die Widerrufsbelehrung. Finanzierungskunden haben ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Die Belehrung darüber war aber nach Auffassung der Hamburger Richter fehlerhaft, damit trat die 14-Tage-Frist zur Ausübung dieses Widerrufsrechts gar nicht erst in Kraft. Dies machte sich der Kläger zunutze. Die Bank Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (BDK) hat Einspruch gegen das Urteil eingelegt. (ree)
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