"Stellenabbau bei VW nicht tabu"

Genf. Wolfgang Porsche fordert eine neue Gesprächskultur bei Volkswagen. "Wir müssen mehr miteinander reden statt übereinander", sagte er. Auch schwierige Themen müssten offen angesprochen werden. "Wenn wir zum Beispiel feststellen, dass wir in einzelnen Bereichen bei Volkswagen einen Personalüberhang haben, muss man frühzeitig über konstruktive Lösungen nachdenken können." Damit werde vermieden, "dass man dann im Fall einer Krise von heute auf morgen Menschen entlassen muss."

"Wir dürfen schwierige Themen nicht einfach tabuisieren, sondern müssen sie im Aufsichtsrat offen ansprechen", forderte Porsche. Als Aufsichtsratschef der Porsche SE spielt er eine wichtige Rolle bei Europas größtem Autobauer. Die Familien Porsche und Piech halten über die Porsche SE die Mehrheit der VW-Aktien.

VW will einen Stellenabbau bei der Stammbelegschaft jedoch nach Möglichkeit vermeiden, obwohl der Gewinn aufgrund der Abgas-Affäre eingebrochen ist und die finanziellen Folge noch nicht abzusehen sind. Die Festangestellten sind durch den Haustarifvertrag geschützt, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Anders sieht es bei den Leiharbeitern aus - in Emden laufen demnächst 250 Verträge aus.

Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil sieht (SPD) beruhigt jedoch: "Nach allem was ich weiß, haben wir "Dieselgate" zwar mit vielen Schmerzen zu verarbeiten, Volkswagen hat aber auch eine ausgesprochen gute wirtschaftliche Substanz." Der Sparkurs müsse aber umgesetzt werden: "Wir müssen uns an der einen oder anderen Stelle sicher etwas schlanker aufstellen", sagte er. "Es gibt Dinge, die sind Nice-to-Have und Dinge, die sind ein Muss. Die Nice-to-Have-Dinge muss man hinterfragen."

Bisher gibt es allerdings noch keine Entscheidungen darüber, was konkret gestrichen wird. "Solange wir nicht wissen, um welche Größenordnung es sich bei möglichen Schadenersatzforderungen oder Strafzahlungen handelt, werden wir auch nicht über konkrete Konsequenzen und Maßnahmen diskutieren", sagte Porsche. Näheres zur Aufarbeitung des Skandals sagte er nicht: "Die amerikanischen Behörden haben bestimmte Vorstellungen zur Aufklärung und zu möglichen Lösungen", sagte er nur.

Zu den Diskussionen um den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn sagte er "Herr Winterkorn hat damals gesagt: "Ich bin mir keiner Schuld bewusst". Wer ihn als Menschen näher kennt, weiß, dass er davon auch zutiefst überzeugt ist." Die "Bild am Sonntag hatte unter Berufung auf die die von VW beauftragte Kanzlei Jones Day berichtet, Winterkorn habe die Notiz, die er im Mai 2014 erhalten hat, eigenen Angaben zufolge gelesen. Winterkorn war wenige Tag nach dem Bekanntwerden des Skandals im September zurückgetreten. "Wir haben damals hinterfragt, ob gerade er, der so viel für den Konzern geleistet hat, zurücktreten muss", sagte Porsche. "Er hat es dann getan - und das war sicher die richtige Entscheidung." Der Kontakt sei jedoch nicht abgerissen. "Ich telefoniere ab und zu mit ihm und frage ihn, wie es ihm geht. Er hat dem Volkswagen-Konzern fast 35 Jahre gedient, das sollten wir nicht vergessen."

Mit Winterkorns Nachfolger ist er sehr zufrieden: "Ich finde, dass Matthias Müller einen wirklich guten Job macht", sagte Porsche. "Ich hoffe, er macht den Job noch lange." Externe Manager hätte es schwer bei VW."Man muss die Strukturen in Wolfsburg verstehen, sonst hat man keine Chance." Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, damals Finanzchef, wusste laut "Bild am Sonntag" bereits am 8. September über die Manipulations-Software Bescheid. Er hat jedoch nicht sofort die Anleger informiert. Ober das einen Verstoß gegen das Aktiengesetz darstellt, werden Gerichte klären müssen. Die Familien Piech und Porsche wollen jedenfalls weiter zu Pötsch halten. Über seinen Cousin Ferdinand Piech, der nach heftigen Diskussionen im April 2015 als Aufsichtsratschef zurückgetreten war, sagte Porsche:"Wir sind sicher unterschiedlich, aber wir haben auch gemeinsame Verpflichtungen. Und wir haben eine gemeinsame Verantwortung für die 600.000 Mitarbeiter des VW-Konzerns." (dpa/swi)