Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will kein Tempolimit auf Autobahnen - und behauptete, dass die deutschen Schnellstraßen weltweit die sichersten seien. Gibt es für diese These Belege? Scheuers Ministerium lieferte auf Anfrage zumindest keine.
BEHAUPTUNG:"Deutsche Autobahnen sind die sichersten Straßen." Das sagte der CSU-Politiker kürzlich der "Bild am Sonntag".
BEWERTUNG: Zweifelhaft.
FAKTEN:Internationale Vergleichszahlen lassen an der Aussage von Scheuer zweifeln. Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und die Unfallforscher der Versicherer kennen keine statistischen Beweise, die Scheuers These stützen würden. Ganz genau widerlegen können Daten von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) undder EU dieAussage aber auch nicht.
Grundsätzlich sind Autobahnen der sicherste Straßentyp der Welt. Laut OECD ist dort das Risiko zu sterben bis zu sechs Mal kleiner als auf Straßen insgesamt. Doch Deutschland ist das einzige Land Europas ohne generelles Tempolimit auf Autobahnen. Und mit höherer Geschwindigkeit steigt das Risiko, einen tödlichen Unfall zu verursachen, schnell:Wie die Weltgesundheitsorganisation schreibt, wächst das Risiko mit jedem Prozent mehr Tempo um vier Prozent.
Das Statistische Bundesamt schreibt in seinem Bericht "Unfallentwicklung auf deutschen Straßen", dass zu schnelles Fahren eine Hauptursache für Unfälle auf Autobahnen ist. 2017 gab es laut der Wiesbadener Behörde 20.928 Unfälle mit Toten und Verletzten auf Autobahnen. 409 Menschen starben dabei, 5.974 wurden schwer verletzt.
Laut EU-Daten enden auf einem gleich langen Stück Autobahn in Deutschland mehr Unfälle tödlich als in anderen EU-Ländern. Demnach lag die "Tödlichkeitsrate" pro 1000 Kilometer auf deutschen Autobahnen bei 30,2 Prozent.
Im europäischen Durchschnitt waren es 26,4 Prozent. Deutlich besser als Deutschland schnitten dabei Staaten wie Zypern, Finnland, Schweden, Portugal, Ungarn, Österreich, Frankreich oder Großbritannien ab. Das widerspricht zumindest Scheuers Aussage. Allerdings sagen die Daten nichts darüber aus, auf wie viele Autos auf den Straßen unterwegs waren.
Auch gemessen an der Einwohnerzahl gibt es in Ländern wie Großbritannien, Schweden, Norwegen und der Schweiz seit vielen Jahren insgesamt viel weniger tödliche Unfälle als inDeutschland, wie der Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Siegfried Brockmann sagt. Diese Länder könne man gut mit Deutschland vergleichen.
"In diesen Ländern ist die Straßeninfrastruktur ähnlich und daher mag dies auch am Umgang der Verkehrsteilnehmer untereinander liegen", sagt Brockmann. Zu Scheuers Aussage meint er: "Als Wissenschaftler vermisse ich die Bezugsgröße zum Beispiel Einwohner oder Kilometer Fahrleistung." Er habe solche Zahlen im internationalen Vergleich aber auch nicht.
Betrachtet man die auf Autobahnen zurückgelegten Strecken schneiden etwa Großbritannien, Finnland, Österreich und die Niederlande abermals besser als Deutschland ab. Nach Angaben der OECD sterben hierzulande pro Milliarde gefahrene Kilometer doppelt so viele Menschen auf Autobahnen wie in Großbritannien. In Deutschland sind es demnach rein rechnerisch 1,614 Menschen, in Großbritannien 0,852 Menschen. Auch das lässt nicht gerade darauf schließen, dass deutsche Autobahnen die sichersten der Welt sind. (dpa)
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