Berlin. Spätestens auf dem Weg in den Sommerurlaub wird es offensichtlich: Auf Deutschlands Autobahnen reiht sich Baustelle an Baustelle. Und wenn es nach Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geht, sollen bald Dutzende dazukommen. 2,7 Milliarden Euro stehen dafür bereit. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie steht es um Deutschlands Straßen?
Bröckelnder Asphalt, Schlaglöcher, marode Brücken - der Bundesrechnungshof nennt den Zustand der deutschen Fernstraßen «besorgniserregend». Nach dem Aufbau Ost gibt es vor allem an stark strapazierten Knoten im Westen großen Nachholbedarf, zumal die Bundesregierung bis 2030 noch mehr Verkehr erwartet. Vor allem an Nadelöhren wie den 39.000 Fernstraßenbrücken werden Schäden zum Problem. Viele sind älter als 40 Jahre. Braucht es hier Sperrungen, Tempolimits oder Gewichtsbeschränkungen, bremst das den Verkehr.
Wie will die Bundesregierung der Probleme Herr werden?
Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, «die Planung und Finanzierung unserer Verkehrswege durch eine grundlegende Reform auf eine neue, dauerhaft verlässliche und effiziente Grundlage zu stellen». Bis 2017 wurden dafür fünf Milliarden extra eingeplant. Aus Sicht von Experten allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein: Sie kalkulieren, dass mehr als sieben Milliarden jährlich fehlen, um den Sanierungsstau bei Straßen, Schienen und Wasserwegen aufzulösen.
Und wo soll das fehlende Geld herkommen?
Bei dieser Frage verweist Minister Dobrindt gerne auf seinen «Investitionshochlauf». Damit will er die jährlichen Investitionen in die Infrastruktur auf rund 14 Milliarden Euro ab 2018 steigern. Dabei setzt er auch auf Öffentlich-Private Partnerschaften, also darauf, dass vermehrt private Investoren gemeinsam mit dem Staat Bundesstraßen bauen und betreiben. Elf Projekte sind bereits auf den Weg gebracht. Außerdem will Dobrindt die Autofahrer und Spediteure stärker zur Kasse bitten. Dabei hat er allerdings das Problem, dass ihm die EU-Kommission die Einführung der Pkw-Maut ausgebremst hat - erhoffte Einnahmen: 500 Millionen Euro im Jahr. Der Start liegt auf Eis, solange die Vereinbarkeit mit Europarecht nicht geklärt ist.
Was hat es mit den gerade angekündigten Projekten auf sich?
Knapp 2,7 Milliarden Euro gibt Dobrindt zum Start der nachrichtenarmen Sommerzeit öffentlichkeitswirksam für 72 Bauprojekte frei. Mit dem Geld konnte er allerdings schon länger rechnen: Es stammt aus zusätzlichen Haushaltsmitteln für 2016, unter anderem aus dem Zehn-Milliarden-Investitionspaket von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Außerdem bringt die Ausweitung der Lkw-Maut auf weitere Bundesstraßen und kleinere Lastwagen ab diesem Jahr neue Einnahmen. Dobrindt spricht von einer «Modernisierungsoffensive», Kritiker halten das für eine Luftnummer.
Bei so viel Geld - wo ist denn das Problem?
Kritisiert wird vor allem, dass nicht einmal ein Fünftel des Geldes, 482 Millionen Euro, in den Erhalt von Straßen fließt. Mit 1,5 Milliarden Euro werden Lücken im Netz geschlossen, 700 Millionen Euro gehen an Neubauprojekte. «So bröseln unsere Brücken weiter, und die Schlaglöcher werden größer, weil man bei Neubauten als Verkehrsminister viel schöner Bänder durchschneiden kann», meint etwa Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Der Obmann der Linken im Bundestags-Verkehrsausschuss, Herbert Behrens, stört sich außerdem daran, dass Dobrindts Heimatland Bayern von den Extra-Milliarden einmal mehr das größte Stück vom Kuchen abbekommt, 621 Millionen Euro. Dort seien einfach die meisten Projekte durchgeplant und baureif, kontert Dobrindt. «Ich hoffe, dass die Anderen entsprechend nachziehen.» (dpa/gem)