Peking. Die heile Autowelt für deutsche Autobauer in China bekommt Risse. Bislang feierten die Hersteller Jahr für Jahr ihre Erfolge auf dem weltgrößten Markt für Neuwagen. Nobelmarken wie Audi, BMW und Mercedes-Benz dominieren die Oberklasse. Firmenchefs schwärmen von sagenhaften Geschäften. Aber Chinas Preiswächter wurden misstrauisch. Jetzt schlagen sie zu. Audi und Chrysler hätten sich «monopolistisch» verhalten, sagt Wettbewerbshüter Li Pumin am Mittwoch in Peking. «Sie werden bald bestraft werden.»
Es wird eng für ausländische Autobauer in der Oberklasse. Li Pumin ist nicht irgendein farbloser Beamter - er sitzt in der Führungsetage der mächtigen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC). Die Superbehörde gibt nicht nur die Richtung in Chinas Industriepolitik vor, sie ist zusammen mit dem Handelsministerium auch für die Wettbewerbskontrolle in China zuständig.
An der NDRC führt für ausländische Autobauer kaum ein Weg vorbei. Oft ist sie in die Genehmigungsverfahren von Großinvestitionen eingebunden. Monopolstrafen sind ein anderes scharfes Instrument der Beamten. Bis zu zehn Prozent des Umsatzes darf die Behörde Unternehmen bei Verstößen als Strafe aufbrummen. Bei einer umfassenden Zusammenarbeit mit der NDRC darf die Kommission aber Milde walten lassen. Daher überrascht es wenig, dass alle Unternehmen schnell ihre volle Kooperation bei den Untersuchungen versichern. Audi, Jaguar Land Rover, BMW und Daimler hatten Preissenkungen auf Ersatzteile bekanntgegeben.
Seit Anfang der Woche geht es nun Schlag auf Schlag. Am Montag durchforsten NDRC-Ermittler eine Daimler-Filiale in Shanghai. Der Autobauer bestätigt den Besuch, aber nennt keine Details. Chinesische Staatsmedien zeichnen ein bedrohliches Bild: Neun Beamte der lokalen Antimonopol-Kommission befragen alle Angestellten und durchforsten die Computer. Sie wollen Daimlers komplette Preispolitik erfahren, nicht nur für Ersatzteile, sondern für komplette Fahrzeuge. Sie sollen bis in die späte Nacht geblieben sein. Am Dienstag sind sie zurück, und setzten ihre Befragungen fort, wie die amtliche Nachrichtenagentur China News Service unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet.
Am Tag danach lässt Li Pumin auf einer Pressekonferenz durchblicken, dass seine Behörde nicht nur Ersatzteile oder Reparaturen im Visier haben könnte: «Die Antimonopol-Ermittlungen konzentrieren sich auf komplette Fahrzeuge und Autoteile. Sie wurden bereit Ende 2011 eingeleitet», sagt Li. «Wir haben einige Fabriken und Händler besucht und schwerwiegende Verstöße gegen Wettbewerbsgesetze festgestellt.» Details nennt er nicht.
Noch spielt Chinas Ersatzteilgeschäft eine untergeordnete Rolle. Erst in den vergangenen Jahren sind die Verkäufe sprunghaft gestiegen. Die Anzahl der Premiumautos auf den Straßen ist bislang noch kleiner als in Europa oder den USA, zudem sollen sie selten in der Werkstatt stehen. «Aber das Ersatzteilgeschäft wird deutlich zunehmen», sagt Peter Fuß, der für Ernst&Young die Branche berät. Preissenkungen würden da automatisch auf den Gewinn durchschlagen. Einen Imageschaden durch die Ermittlungen sieht er für die Hersteller aber nicht.
Allerdings halten chinesische Autoexperten die Anschuldigungen für berechtigt. «Hersteller haben die Preise für Autos in China gezielt in die Höhe getrieben», sagt Cui Dongshu von Chinas Vereinigung der Personenwagenhersteller der Nachrichtenagentur dpa in Peking. In China verlangten ausländische Firmen oft viel mehr für Autos als im Rest der Welt. «Sie haben über ihre Verkaufslisten und ihr Händlernetz die Preise manipulieren können», behauptet Cui Dongshu. Stimmt das, wäre es ein Verstoß gegen Chinas Wettbewerbsgesetz.
Hinter vorgehaltener Hand räumen Vertreter deutscher Autohersteller durchaus ein, dass die Margen in China sehr hoch waren - viel höher als in Deutschland oder auf anderen Märkten. Reiche chinesische Kunden hätten nicht so genau auf die Preisschilder gesehen. Die Jahre mit riesigen Gewinnspannen seien aber vorbei, betonen sie heute.
In China gibt es eine entscheidende Besonderheit: Ausländische Autobauer werden zu Partnerschaften mit chinesischen Firmen gezwungen. Mindestens die Hälfte der Gewinne bleibt bei den chinesischen Partnern. Aber auch die Hälfte der Investitionen wird von chinesischer Seite getragen. Strafen würden auch sie treffen, meint Cui Dongsh. «Es gibt keine Möglichkeit für chinesische Partner, die Ermittlungen zu umgehen.» (dpa/gem)