Berlin. An der Ampel geht der Motor aus, wenn man vom Gas geht: Die Autohersteller müssen sich viel einfallen lassen, um den Verbrauch ihrer Fahrzeuge zu senken. Gekämpft wird um Dezi- und Zentiliter. Und am Ende kommt es dann doch auf den Fahrer an. «Entscheidend für den Verbrauch ist die Fahrweise», sagt Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). «All die Gimmicks, mit denen moderne Autos ausgerüstet werden, können den Fahrer unterstützen.»
Bei manchen Maßnahmen ist es hilfreich, wenn man weiß, wie sie funktionieren, damit man ihren Effekt voll ausnutzen kann. Thomas Schuster von der Prüforganisation KÜS glaubt, dass ein Teil der Diskrepanz zwischen Norm- und Praxisverbrauch darauf zurückzuführen ist, dass Autofahrer nicht alle Möglichkeiten des Spritsparens ausnutzen, die insbesondere Spritsparmodelle einer Baureihe bieten.
«Früher hat man gesagt, dass eine möglichst gleichmäßige Fahrweise am günstigsten ist», sagt der Prüfingenieur. Moderne Autos verbrauchen aber am wenigsten, wenn man sie immer wieder leicht beschleunigt und dann rollen lässt. Um hier den größten Effekt zu erzielen, verfügen manche Autos über eine sogenannte Segelfunktion. «Dabei wird nicht nur kein Sprit eingespritzt, der Motor wird auch vom Antriebsstrang abgekoppelt», erklärt Schuster das Prinzip. So rollt das Auto viel leichter, weil die Bremswirkung des Motors wegfällt. «Für viele Autofahrer ist das ungewohnt, weil sie etwa vor Ampeln viel früher vom Gas gehen müssen», sagt er.
Beim Bremsen wiederum kommt ein weiteres Prinzip zum Tragen: die Rekuperation. «Das heißt, dass die kinetische Energie, die dabei abgebaut wird, zurück ins System gespeist wird», sagt Schuster. Sie kann die Batterie laden oder direkt Verbraucher, wie Klimaanlage, Heckscheibenheizung oder das Licht speisen. «Auch das verringert den Verbrauch, weil der Motor anderenfalls diese Energie über die Lichtmaschine erzeugen müsste.»
Hier setzen die Hersteller teilweise auch direkt an, indem sie etwa LED-Scheinwerfer anbieten, die weniger Energie benötigen als herkömmliche Glühlampen. Und auch bei anderen Geräten wird optimiert: «Klimaanlagen hatten früher Riemenantrieb, Servolenkungen waren hydraulisch», so Schuster. Mittlerweile gehe man dazu über, die Geräte elektrisch zu betreiben. «Gegen die Reibung des Riemens muss der Motor auch arbeiten, wenn der Verbraucher nicht gebraucht wird», erklärt Schuster. Die elektrische Variante hingegen arbeite nur bei Bedarf. «Wenn Sie geradeaus fahren, verbraucht eine elektrische Servolenkung keinen Strom, beim Slalom hingegen schon.»
Das gleiche Prinzip gilt natürlich für den Motor. Daher verfügen Autos zunehmend über Start-Stopp-Systeme, die an der Ampel automatisch den Motor abstellen. Laut VCD-Mann Müller-Görnert bringt das zwischen einem und sechs Prozent Ersparnis. «Start-Stopp-Systeme bringen natürlich in erster Linie in der Stadt etwas.» Wie auch Reifen, deren Rollwiderstand optimiert wurde. Hier seien vier bis sechs Prozent möglich, so Müller-Görnert. «Bei höheren Geschwindigkeiten ist der Luftwiderstand wichtiger.»
Daher wird speziell bei Spritsparmodellen immer weiter am cw-Wert gefeilt, der über die Windschlüpfigkeit eines Autos Auskunft gibt. Sie werden laut Schuster oftmals etwas tiefergelegt und mit Kühlerjalousien ausgerüstet, die sich automatisch schließen, wenn der Motor die Kühlung nicht braucht. Auch das macht die Autos windschlüpfiger und senkt so den Verbrauch. «Ein guter cw-Wert kann gerade bei Pendlern, die viel auf längeren Strecken unterwegs sind, viel ausmachen», so Schuster.
Deshalb haben die Sparversionen nicht nur meist Leichtlaufreifen, sondern auch aerodynamisch optimierte Radkappen oder Felgen. Doch viele Autofahrer betreiben hier Tuning. «Die Rad-Reifen-Kombination ist das, was am meisten verändert wird an den Autos», sagt Thomas Schuster. Das Problem: «Wenn die Felgen größer und die Reifen breiter werden, habe ich mehr Gewicht am Auto.» Auch der Rollwiderstand werde oft schlechter, und die Aerodynamik leide gegenüber den Spritsparmodellen. «In Extremfällen, wenn ich also statt eines 15-Zoll-Ökorads 18-Zöller aufziehe, dann ist da ein Mehrverbrauch von einem Liter möglich», warnt Schuster.
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Spritverbrauch ist die Ausstattung. «Spritsparmodelle sind nicht ohne Grund meist leichter und lassen sich oft nur begrenzt aufrüsten», sagt Müller-Görnert. Entsprechend sollten sich Autokäufer gut überlegen, was sie eigentlich wirklich an Ausstattung brauchen. «Wir sagen immer: So wenig Auto wie möglich, nur so viel wie nötig.»
Nach dem gleichen Prinzip gehen die Hersteller zunehmend bei der Konstruktion der Motoren vor. «Man ist zum Beispiel dazu übergegangen, die Schwungmasse an der Kurbelwelle zu verringern», erklärt Schuster. «Das kann allerdings dazu führen, dass der Motor etwas unruhiger läuft.» Einen ähnlichen Effekt hat eine Absenkung der Leerlaufdrehzahl, wie sie laut dem KÜS-Experten schon seit vielen Jahren gang und gäbe ist. Zusätzlich werden insbesondere bei den Sparvarianten auch die Getriebe insgesamt länger übersetzt, um die Drehzahlen zu senken. «Dafür muss man als Fahrer dann eben auf etwas Dynamik verzichten», beschreibt Schuster einen Nebeneffekt.
Auch unabhängig davon würden viele Autofahrer sich mit niedrigen Drehzahlen oft schwertun, glaubt Schuster. «Viele empfinden das als ungewohnt und müssen erst lernen, sich an die Schaltempfehlung, mit der moderne Autos ausgerüstet sein müssen, zu halten», sagt er. Die empfehle ein sehr frühes Hochschalten.
Doch manche Maßnahmen bringen laut Müller-Görnert im Alltag nur wenig: «Viele der Raffinessen sind für den Normzyklus optimiert.» Umweltverbände mahnen deshalb an, die Herstellerangaben staatlich zu kontrollieren. Der Realverbrauch liege im Durchschnitt um 38 Prozent über den nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf dem Prüfstand ermittelten Werten, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) moniert. Sie beruft sich auf Nutzerangaben von Internetseiten zum Spritverbrauch, die sie für die zehn meistverkauften deutschen Automodelle mit den NEFZ-Angaben verglichen hat.
Voraussichtlich Ende des Jahrzehnts soll immerhin ein neuer, weltweit einheitlicher Fahrzyklus zur Ermittlung des Verbrauchs eingeführt werden. Dessen Ziel ist es, Normwerte zu liefern, die näher am Praxisverbrauch liegen. Doch die DUH verspricht sich von diesem WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedures) keine Änderung der Situation und fordert eine offizielle staatliche Stelle, die Herstellerangaben stichprobenartig überprüft und konkreten Beschwerden von Autohaltern nachgeht. (dpa/gem)