Die drohenden Fahrverbote für Diesel in der Stuttgarter Innenstadt sind von heute an ein Fall für die Justiz: Das Verwaltungsgericht Stuttgart befasst sich mit einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), mit der die Landesregierung gezwungen werden soll, konsequenter gegen die Luftverschmutzung in Stuttgart vorzugehen. Seit sieben Jahren werde der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten, nicht selten um das Doppelte. Jeden Tag atmeten die Stuttgarter krankmachende Luft, so die DUH. Ein wirksames Mittel sei allein ein generelles Diesel-Fahrverbot.
Land und Stadt hätten dem Gericht am liebsten die Einführung einer blauen Plakette präsentiert, mit der ältere Dieselautos aus der Umweltzone Stuttgart ausgesperrt werden könnten. Allerdings müsste da die Bundesregierung tätig werden, was sie nicht tut. Am Dienstag wurde klar, dass die Vertreter des Landes nun versuchen werden, das Gericht zu überzeugen, dass die Grenzwerte auch mit Nachrüstungen älterer Diesel und ohne Fahrverbote eingehalten werden können. Ziel sei eine saubere Luft, kein Fahrverbot, lautet die Devise von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
Ob das Gericht darauf eingeht, darf bezweifelt werden. Zwei Anwohner des stark belasteten Neckartors haben vor dem gleichen Gericht bereits einen Vergleich erstritten. Land und Stadt mussten zusagen, ab 2018 an Tagen mit extrem hoher Belastung den Verkehr am Neckartor um 20 Prozent zu reduzieren. Das Gericht ließ aber kaum Zweifel daran, wie hoch der Gesundheitsschutz zu werten ist. Mit einer Entscheidung zur DUH-Klage wird nächste Woche gerechnet.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann kann die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für bessere Luft nachvollziehen. Im SWR sagte er, es ärgere ihn, dass man in Deutschland für saubere Luft klagen müsse. Es sei auch ein Ärgernis, dass man seit Jahren die Grenzwerte nicht einhalte. Bei der Verhandlung hoffe er aber, dass der Richter die getroffenen Maßnahmen - wie den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - anerkenne.
Hermann erwartet zudem, dass die Automobilindustrie die versprochenen Nachrüstungen der Dieselfahrzeuge schnell umsetzt. Dann müsse geprüft werden, ob die Nachbesserungen tatsächlich den gewünschten Effekt hätten. Er hoffe, dass es ausreiche, Dieselfahrzeuge nachzurüsten. Belege dafür gebe es noch nicht, betonte Hermann.
Diese Aussage überrascht allerdings, da sein Ministerium erst vor wenigen Tagen eine Studie präsentierte, laut der die Nachrüstungen so viel bringen könnten wie Fahrverbote. Dort hieß es, dass neuere Berechnungen zeigten, dass eine rasche Nachrüstung älterer Diesel-Pkw so viel bringen kann wie Fahrverbote. "Die Nachrüstung wirkt dauerhaft zur Senkung der Luftschadstoffe und kann damit auf die lange Sicht mehr bewirken als temporäre Verkehrsbeschränkungen im Talkessel an Tagen mit hohen Schadstoffwerten in der Luft", so das Ministerium in einer Pressemitteilung. (dpa/ree)
Lesen Sie auch:
Verkehrsministerium Baden-Württemberg: Macht Nachrüstung Fahrverbote überflüssig?
Ifo-Institut und VDA warnen: 600.000 Arbeitsplätze hängen am Verbrenner
Daimler weitet Rückruf massiv aus: 3 Millionen Diesel werden nachgerüstet