Eine höhere Kaufprämie für Elektroautos und mehr Ladestationen - das sind Kernergebnisse des "Autogipfels" vom Montagabend. Politik und Autoindustrie wollen damit sicherstellen, dass Elektroautos den Durchbruch auf dem Massenmarkt schaffen und "alltagstauglich" werden. Deutschland solle "global führender Standort für die Automobilindustrie der Zukunft" bleiben, lautet das Ziel. Die Branche steckt in einem schwierigen Umbruch. Die Beschlüsse des "Autogipfels" im Kanzleramt im Überblick.
Milliarden für höhere Kaufprämie und mehr Ladestationen
Die Kunden können sich auf höhere Zuschüsse einstellen, wenn sie E-Autos kaufen. Die bisher bis Ende 2020 befristete Kaufprämie soll deutlich aufgestockt und verlängert werden - und zwar Plänen zufolge bis Ende 2025. Die vor mehr als drei Jahren eingeführte Prämie blieb bisher hinter den Erwartungen zurück. Bund und Autoindustrie wollen wie bisher jeweils zur Hälfte die Kosten übernehmen - zu den genauen Summen gab es keine Angaben, es dürfte sich aber um Milliarden handeln. Für die bestehende Prämie steuern Bund und Industrie jeweils 600 Millionen Euro bei.
Konkret soll der Zuschuss um 50 Prozent bei E-Fahrzeugen bis zu einem Nettolistenpreis von 40.000 Euro und um 25 Prozent bei teureren Fahrzeugen bis zu einer Grenze von 65.000 Euro steigen. Das bedeutet, dass die Prämie für rein elektrische Autos unterhalb eines Listenpreises von 40.000 Euro von derzeit 4000 Euro auf 6000 Euro steigt - und für Autos mit einem Listenpreis über 40.000 Euro auf 5000 Euro. Auch für Plug-in-Hybride soll der Zuschuss steigen.
Zwar steigen die Neuzulassungszahlen von E-Autos, aber auf einem immer noch niedrigen Niveau. Mit der höheren Prämie werde es nun ermöglicht, weitere 650.000 bis 700.000 Elektrofahrzeuge zu fördern, teilte die Bundesregierung mit.
Die Autohersteller wollen in den kommenden Monaten und Jahren zahlreiche E-Autos auf den Markt bringen, auch im Massenmarkt. Um die Klimaziele 2030 zu schaffen, sind bis dahin sieben bis zehn Millionen E-Autos in Deutschland notwendig, wie aus einem "Masterplan Ladeinfrastruktur" der Bundesregierung hervorgeht.
Doch schon einmal hat sich die Regierung Ziele gesetzt, die sie dann später wieder einkassierte. Bis 2020 sollten bereits eine Million E-Autos auf den Straßen rollen, hieß es vor Jahren. Längst hat die Regierung eingeräumt, dass dieses Ziel verfehlt werden wird. Im August waren laut "Masterplan Ladeinfrastruktur" der Regierung rund 220.000 Elektrofahrzeuge zugelassen.
Ein flächendeckendes Ladenetz gilt als zentrale Voraussetzung für den Erfolg der E-Mobilität. Derzeit gibt es rund 21.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Vor allem auf dem Land muss man oft lange suchen. Bei vielen Autofahrern gibt es eine "Reichweitenangst" - dass sie mit einem E-Auto nicht an ihr Ziel kommen können, weil es nicht genügend Ladestationen gibt.
Vereinbart wurde nun, dass in den kommenden zwei Jahren 50.000 neue öffentliche Ladepunkte entstehen sollen - die Automobilwirtschaft soll davon 15.000 beisteuern. Doch ob das reicht? Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) machte deutlich, er halte das für zu wenig - er hatte vor dem Spitzentreffen 100.000 öffentliche Ladepunkte bis spätestens 2021 gefordert.
Die Bundesregierung hatte in ihrem Klimapaket angekündigt, langfristig eine Million öffentliche Ladepunkte zu schaffen, und zwar bis 2030. Auch die Verbraucherfreundlichkeit soll steigen: So sollen Authentifizierung, Freischaltung, Bezahlung und Abrechnung beim Aufladen künftig ohne Probleme erfolgen. Die Kunden sollen nicht lange warten müssen, bis eine Station frei ist.
"Wir brauchen jetzt die Massenwirksamkeit der Mobilität von morgen", sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach dem Spitzentreffen. Die Menschen müssten begeistert werden - viele Autofahrer fragten sich, ob E-Autos alltagstauglich seien.
Der Bund will in den nächsten Jahren mehr als drei Milliarden Euro in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investieren. Außerdem sollen verstärkt Ladepunkte an Kundenparkplätzen zum Beispiel an Supermärkten gefördert werden. An allen Tankstellen sollen auch Ladepunkte angeboten werden.
Ein anderer wichtiger Hebel: Im Miet- und Wohnungseigentumsrecht soll es Erleichterungen geben. Im Kern ist ein Rechtsanspruch für Wohneigentümer und Mieter vorgesehen, etwa in einer Tiefgarage eine Ladestation zu errichten. Bisher gibt es dafür hohe Hürden. Die Neuregelungen sollen nach derzeitigen Planungen in der Regierung aber erst Ende 2020 in Kraft treten.
Die deutsche Autobranche mit ihren hunderttausenden Beschäftigten befindet sich derzeit mitten in einem grundlegenden Wandel hin zu alternativen Antrieben. Kritiker sagen, sie habe den Umbruch lange verschlafen und zu sehr auf Verbrennungsmotoren wie den Diesel gesetzt. Nun müssen Milliarden in die E-Mobilität investiert werden, auch um strengere EU-Klimavorgaben einhalten zu können - bei vielen Firmen aber ist die Ertragslage wegen des Abschwungs der weltweiten Automärkte schlechter geworden. Das hat bisher vor allem Zulieferer getroffen, es gibt Kurzarbeit und Ankündigungen von Jobabbau.
Die Bundesregierung will nun prüfen, ob die Instrumente des Kurzarbeitergeldes "nachgeschärft oder angepasst" werden müssen. Auch dazu machte VW-Aufsichtsrat Weil klar, er habe sich Konkreteres gewünscht. Zentrale Themen beim Umbruch sollen zudem Qualifizierung und Weiterbildung sein.
Beim automatisierten Fahren und vernetzter Mobilität soll Deutschland "Vorreiter" werden, wie es in den Ergebnissen des Spitzentreffens heißt. Es sollen zügig "innovationsfreundliche" rechtliche und technische Rahmenbedingungen geschaffen und automatisierte Fahrfunktionen schnell auf die Straße gebracht werden. Bis Ende 2021 soll es ein umfassendes "Datennetzwerk" Mobilität geben.
Der Präsident des Autoverbandes VDA, Bernhard Mattes, sprach am Montagabend nach dem Spitzentreffen von einem "guten Paket", das geschnürt worden sei. Die Industrie werde sich an einer höheren Kaufprämie zur Hälfte beteiligen. Mattes sprach von einem weiteren Schritt nach vorne zur "Mobilität der Zukunft". Die E-Mobilität sei nun marktreif. Es gehe beim Wandel der Autobranche hin zu alternativen Antrieben auch darum, Beschäftigung zu sichern, etwa über Qualifizierungen.
Zudem forderte er eine stärkere Förderung für Ladepunkte bei Privatleuten. "Die geplante Finanzierung in Höhe von 50 Millionen Euro ist bei weiten nicht ausreichend." Der Bund müsse nun für einen Ausbauplan sorgen, damit die Ladesäulen dorthin kommen, wo es den Bedarf gibt. "Wichtig ist, dass wird dem Kunden die Befürchtung nehmen, dass er nicht immer laden kann."
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir warnte vor überzogenen Erwartungen an mehr Elektroautos auf Deutschlands Straßen. "Verkehrswende heißt nicht, dass wir 47 Million fossile Verbrenner durch 47 Million Elektromobile ersetzen", sagte der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". "Dann haben wir zwar weniger Abgase, weniger Lärm in den Innenstädten, aber das Problem mit dem Verkehrsinfarkt ist nicht gelöst." Stattdessen müsse man mehr auf geteilte Autos, den öffentlichen Nahverkehr und das Fahrrad setzen. (dpa/swi)
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