Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht gute Chancen für mehr Investitionen der deutschen Wirtschaft in Indien. Dies gelte etwa bei der Modernisierung der Infrastruktur wie dem Ausbau der Hochgeschwindigkeits-Zugverbindungen, sagte Merkel am Samstag bei der Jahreshauptversammlung der Deutsch-Indischen Handelskammer in Neu-Delhi. Die Kanzlerin machte sich zum Abschluss ihres Besuchs in Indien zugleich für einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem 1,3-Milliarden-Einwohner-Land stark. 2007 begonnene Gespräche für ein solches Abkommen mit Indien waren 2012 von beiden Seiten unterbrochen worden.
Wie Merkel sagte, möchte Deutschland in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Euro im Rahmen einer neuen Partnerschaft mit Indien zu grüner urbaner Mobilität ausgeben. Damit sollen etwa in einem indischen Bundesstaat 500 neue Elektrobusse eingesetzt werden. "Wer sich gestern die Luftqualität in Delhi angeschaut hat, hat bestimmt ein paar gute Argumente dafür, dass noch mehr Elektrobusse gebraucht werden", sagte sie. Neu-Delhi ist eine der Städte mit der schlimmsten Luftverschmutzung der Welt. Zurzeit ist der Smog so gefährlich, dass Ärzte empfehlen, Atemschutzmasken zu tragen. Dies tat Merkel bei ihrem Indien-Besuch aber nicht.
Im Anschluss besuchte Merkel ein Werk des Automobilzulieferers Continental, der seit zehn Jahren mit Technologiepartnerschaften und Joint Ventures in Indien präsent ist. Während des Rundgangs bei Conti baten indische Arbeiter der Bremsenfertigung des Unternehmens die Kanzlerin um ein Selfie. Merkel zeigte keine Berührungsängste und lächelte in die Kamera. Der Zulieferer beschäftigt in Indien mehr als 8000 Mitarbeiter an 15 Standorten. Darunter sind acht Werke für den indischen Markt und ein technisches Entwicklungszentrum, das globale Forschung unterstützt. Das Unternehmen hatte 2018 ein neues Entwicklungszentrum eingeweiht, das sich auf das Testen von Bremssystemen "Made in India" konzentriert. Dabei liegt der Fokus auf den Themen Sicherheit, automatisiertes Fahren, Digitalisierung sowie Industrie 4.0.
Merkel besuchte in der indischen Hauptstadt auch eine solarbetriebeneMetrostation, um sich über Umwelt- und Energietechnik zu informieren. An der Station werden auch mit Batterien betriebene E-Rikschas eingesetzt. Ein Teilstück der Metro wurde aus deutschen Entwicklungshilfemitteln mitfinanziert und mit Solarstrom ausgerüstet. Die indische Betreiberfirma will die Station nach Angaben der Bundesregierung als erste weltweit vollständig auf Strom aus erneuerbaren Energien umstellen.
Bereits heute erzielt die Metro nach Angaben der Bundesregierung in erheblichen Umfang Strom aus einem Solarpark. Die Metro bilde damit einen kleinen Baustein, um die indischen Klimaziele zu erreichen. Indien strebt trotz steigenden Energiebedarfs eine Senkung des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent bis 2030 an.
Die Bundesregierung will nach den Worten Merkels auch die Einwanderung indischer Fachkräfte nach Deutschland vereinfachen. Nötig sei zudem eine Neuregelung beim Investitionsschutz, da die alte Regelung 2016 ausgelaufen sei. Die deutsch-indische Zusammenarbeit habedeutlich mehr Potenzial in der Zukunft als bisher. Mehr Kooperation solle es auch bei Digitalisierung, Innovation, Gesundheit, Landwirtschaftund bei nachhaltigen Themen geben, sagte die Kanzlerin. Merkel betonte ihren Einsatz für ein nicht protektionistisches, multilaterales Handelssystem. Dies wollten Indien und Deutschland gemeinsam stärken.
Merkelsagte auch, dass beide Länder verlässliche Wirtschaftspartner seien. Deutsche Unternehmer halten sich aber mit Investitionen unter anderem wegen komplizierter bürokratischer Verfahren in Indien zurück.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte die Äußerungen Merkels für einen neuen Anlauf über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien. Aus Sicht der deutschen Wirtschaft wären neue Impulse ein wichtiges Signal zur Intensivierung der Beziehungen, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer am Samstag. Der Markt Indien bleibe für die deutschen Unternehmen hinter den eigentlich enormen Möglichkeiten zurück. "Insbesondere kleine und mittlere deutsche Unternehmen stehen dort oft vor einem Regulierungslabyrinth und scheuen ein stärkeres Engagement." (dpa/os)
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