Die Industrie bringt immer mehr Modelle mit Elektroantrieb auf den Markt, zum Teil ebenfalls sehr PS-stark. Machen die SUVs ohne schlechtes Gewissen möglich?
Ich glaube eher nicht. Man muss unterscheiden zwischen Plug-in-Hybriden bei Geländewagen und den reinen Elektrofahrzeugen.
Nicht jeder kennt den Unterschied, wo liegt der?
Die Plug-in-Geländewagen haben ja zwei Motoren. Und rein elektrisch fahren die real nur etwa zwischen 30 und 50 Kilometer. Für diese Reichweite kann man sie auch an der Steckdose aufladen. Neben dem E-Motor hat man noch einen normalen Verbrennungsmotor dabei.
Reine Elektro-SUVs haben keinen zusätzlichen Verbrenner an Bord, dafür eine viel größere Batterie für Normreichweiten zwischen 400 und 450 Kilometer. Gerade die deutschen Hersteller mit ihren großen und schweren Premiumfahrzeugen oder auch Hersteller wie Volvo neigen gerade bei den SUVs dazu, gerne auch Plug-in-Varianten zu installieren. Die haben ein vermeintliches Öko-Image.
Warum?
Weil sie einen Normverbrauch von teilweise nur 1,5 bis nur 2,5 Litern haben. Das wird in der Realität jedoch um ein Vielfaches überschritten. Auch weil, wie verschiedene Untersuchungen zeigen, diese Fahrzeuge häufig nicht regelmäßig an der Steckdose aufgeladen werden. So hat der Vorteil der rein elektrischen Reichweite, weswegen sie eigentlich auf so niedrige Normverbräuche kommen, in der Realität überhaupt keinen Bestand.
Teilweise erfährt man, dass das Ladekabel noch nicht einmal ausgepackt wird. Weil sich Leute sich nicht die Mühe machen, wegen dieser geringen elektrischen Reichweite das Fahrzeug jeden Tag aufzuladen.
Plug-in-Fahrer könnten sich doch weniger umweltschädlich verhalten, wenn sie häufiger rein elektrisch fahren, etwa auf Pendelstrecken, wenn die Reichweite ausreicht?
Darauf kommt es dann an, sie müssen einen Großteil ihrer Fahrstrecken elektrisch unterwegs sein. Allerdings gilt ja auch bei reinen Elektrofahrzeugen, dass deren Umweltfreundlichkeit zum großen Teil davon abhängt, wo der Strom herkommt. Es wäre auf jeden Fall besser, aber das müsste dann entsprechend kontrolliert werden.
Ansonsten hat man das Schlechte von zwei Welten: Man schleppt die Batterie und den Elektromotor noch zusätzlich mit sich rum, aber fährt vorwiegend mit dem Verbrenner. Dann hat man noch einen höheren Verbrauch als bei herkömmlichen Fahrzeugen mit Diesel- oder Benzinmotor.
Was sind beim reinen Elektro-SUV die Vor- und Nachteile?
Wenn man mit Ökostrom lädt, hat man auch in der Realität einen vergleichsweise geringen CO2-Ausstoß, lassen wir mal die Produktionsphase außer Acht. Das Problem der Elektro-SUVs ist, dass sie einen höheren Verbrauch an Kilowattstunden haben. Das liegt eben an der Größe der Fahrzeuge und der Aufbauform mit schlechterer Aerodynamik.
Je größer, schwerer und sportlicher, desto umweltschädlicher ist ein SUV, egal, ob als Verbrenner oder E-Auto?
Absolut. Ich würde allerdings eine Abstufung vom Verbrenner zum reinen E-Modell machen.
Also ein vergleichbar gebautes und gleich starkes Elektro-SUV ist schon etwas weniger umweltschädlich als das Verbrenner-Pendant?
Ja, man muss aber vorsichtig sein. Weniger umweltschädlich, an was machen wir das denn fest? Wir können das Kriterium CO2 nehmen, beispielsweise. Da ist es schon so, das zeigen auch die Zahlen seriöser Untersuchungen etwa des Umweltbundesamtes, dass die Produktionsphase aufgrund der hohen Energieintensität bei der Batterieherstellung CO2-intensiver ist. Als grober Daumenwert gilt, dass man circa 100.000 Kilometer fahren muss, bis man beim derzeitigen Strom-Mix in eine positive CO2-Bilanz kommt.
Beim rein elektrischen SUV fällt ja beispielsweise ebenfalls Reifenabrieb an. Und je größer es ist, desto mehr Platz beansprucht das Fahrzeug auch in der Innenstadt. Das heißt: Die Problematik großer Modelle ist auch hier vorhanden?
Völlig richtig, das sind verschiedene Kriterien. Große Fahrzeuge brauchen mehr Platz, haben höheren Reifenabrieb und verbrauchen mehr Energie als kleinere.
Wer als nächstes Auto dennoch ein SUV kaufen möchte - was ist zu beachten, um mit einem halbwegs grünen Gewissen fahren zu können?
Wenn ein SUV gewählt werden soll, dann wirklich ein kleines, kompaktes. Die sind nicht so schwer und beanspruchen weniger Raum. Dennoch bieten sie aber den Komfort des leichteren Einstiegs und den der etwas höheren Übersichtlichkeit. Man sollte darauf achten, dass der Realverbrauch möglichst niedrig ist und sich etwa in Autotests von Zeitschriften informieren. (Interview: Peter Löschinger, dpa/fuh)
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