Feldversuche mit dem Mobilfunkstandard der fünften Generation, 5G, gibt es bereits – und die machen Hoffnung. Die Hoffnung, dass es endlich keine Funklöcher mehr gibt, Industrie und Produktion auf ein neues Level gehoben werden können und Deutschland allgemein den Anschluss in Sachen Digitalisierung nicht verliert.
Heute will der Beirat der Bundesnetzagentur über die Vergaberegeln für 5G-Frequenzen und den damit verbundenen Ausbau der Infrastruktur in Berlin beraten. Wir klären die wichtigsten Fragen vorab:
Was genau ist 5G?
Das Kürzel steht für 5. Mobilfunkgeneration. Die zweite Generation (GPRS bzw. Edge) startete 1992, 3G (UMTS) 2004, 4G (LTE) 2010. Nun also steht der Mobilfunk vor dem nächsten Sprung. 5G bedeutet, dass ein Downloadtempo von 10 Gigabit pro Sekunde erreicht werden könnte und damit grob gesagt 100 Mal schneller ist als ein guter LTE-Download. Wichtig ist auch die sogenannte Latenzzeit, also die Verzögerung bei der Übertragung – die könnte nur bei einer Millisekunde liegen und damit fast in Echtzeit.
Warum ist die Technologie so wichtig?
Der 5G-Mobilfunkstandard betrifft zunächst einmal nicht die Bürger, sondern die Industrie. Der Standard soll als Hilfsmittel dienen zur Implementierung der Industrie 4.0, sowie im Internet der Dinge – und so zu mehr Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland beitragen.
Bisher ist Deutschland in Sachen schnelles Internet hinten dran, dabei geht es jedoch vor allem um ein LTE-Netz, das es vornehmlich in Städten und Ballungszentren gibt, auf dem Land gibt es weiterhin Bereiche, in denen Edge, also 2G, Standard ist.
Mit 5G soll jetzt alles anders werden: Die Bundesrepublik solle zum "Leitmarkt" für 5G werden, heißt es sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Die Politik versucht quasi, die Versäumnisse aus der miserablen Verbreitung des 3G und 4G-Netzes jetzt mit 5G auszubügeln. Die Frage ist, ob 5G für alle der Heilsbringer ist – und ob man den Rückstand aufholen kann.
Wer braucht 5G genau – und wer nicht?
Vor allem das Internet der Dinge und die vernetzte Produktion setzen in Zukunft auf 5G – und zwar quer durch alle Industrie. Wer von 5G nicht wirklich in erster Linie profitiert, ist der Verbraucher. Er wird nicht wirklich merken, dass eine Whatsapp schneller auf seinem Smartphone landet als im 4G-Netz. Zudem gibt es noch keine 5G-fähigen Smartphones. Allerdings arbeitet die Industrie fieberhaft daran. Auch zum Betreiben von Homepages braucht man derzeit kein 5G – da reicht 4G. Allerdings wird es Zeit, dass 4G bald zu 100 Prozent in Deutschland verfügbar ist – und eine flächendeckende Infrastruktur geschaffen wird.
Was kann die Industrie durch 5G, was sie vorher nicht konnte?
Autobauer, die ihre autonom fahrende Pkw und Lkw auf die Straßen schicken wollen, brauchen den Mobilfunkstandard, damit die Fahrzeuge über die ultraschnelle Datenübertragung genau Bescheid wissen, ob es glatt ist. Die Informationen funken Lkw, die im Platoon fahren, an die nachfolgenden Fahrzeuge – oder aber an Pkw, die hier ebenso fahren. Dann können sie mit Ampeln kommunizieren, damit der Algorithmus berechnet, was die ideale Geschwindigkeit für die grüne Welle ist.
Zudem werden sie vor allem in vernetzten Städten oder großen Logistikzentren wie Häfen oder Fabriken in ein Konglomerat von Datenströmen eintauchen, in denen Informationen über Ort und Zeit permanent gesendet und empfangen werden, in denen die Waren auf der Ladefläche sich ins Netzwerk einloggen. Gegenstände sind nicht mehr nur mit einem anderen Teil vernetzt, sondern Teil eines riesigen Netzwerks, inklusive Bild und Funk – in Echtzeit.
Das ohne Abstürze zu beherrschen, schafft kein WLAN, und kein LTE, nur 5G. In der vernetzten Produktion setzt die Industrie auf Maschinen, die dank der Datenströme untereinander besser kommunizieren, Arbeitsabläufe verbessern und Logistiker genau wissen, wie es um die Laderaum-Kapazitäten ihrer Lastwagen auf den Straßen bestellt ist.
Beispiel: Audi und Ericsson testen seit einigen Monaten 5G in der Fabrik. Konkret bedeutet das keine Kabelstränge und fixe Produktionsstraßen, mehr Flexibilität in Lager und Produktion bis zur vorm zusammenschrauben: Denn jedes Teil, jeder Roboter, jedes Kästchen, in dem Schrauben von A nach B getragen werden, sind mit einem Chip versehen. Man weiß, was wo ist, was defekt ist, was fehlt. Ist die Vernetzung ausgereift, kann der Endkunde bis kurz vor knapp noch Änderungen an der Konfiguration seines Autos wahrnehmen und sein Auto im Entstehungsprozess begleiten.
Mobilfunk oder WLAN?
Mobilfunk ist zudem sogar zuverlässiger als WLAN, da ein WLAN in seiner Struktur nicht mit anderen WLAN parallel existieren kann. Geräte wählen sich also immer wieder ein, werden womöglich rausgeschmissen, wenn die Wlan-Stärke nicht groß genug ist – jeder kenn es von zu Hause. Stabiler, vor allem bei der Vernetzung von mehreren Geräten, die permanent im Netz sein sollen ist daher der Funk, also LTE – oder in der Industrie bald 5G. Experten prognostizieren deshalb, dass die Zeit kommen wird, in der 4G in Haushalten zum Standard wird und WLAN der Geschichte angehört.
Was genau passiert heute?
Der Beirat der Netzagentur, 32 Vertreter des Bundestags und der Bundesländer, beraten über Vergaberegeln für die Versteigerung der 5G-Frequenzen im Frühjahr 2019. Beiratschef ist der CDU-Abgeordnete Joachim Pfeiffer, sein Stellvertreter ist Niedersachsens Bauminister Olaf Lies (SPD). Der Beirat hat kein Veto-Recht, aber Behördenchef Jochen Homann will die Entscheidung "im Benehmen" mit dem Beirat treffen. Also Konsens statt Konfrontation. Hier die Ergebnisse
Wird 5G also bald in Deutschland flächendeckend eingeführt?
Schnelles Internet überall - das klingt verlockend. Daher fordern Politiker verschiedener Couleur eine 5G-Abdeckung auch auf dem Land, damit sich auch dort Firmen ansiedeln und Jobs entstehen. Aber ein flächendeckender Ausbau bis in den letzten Winkel der Republik ist weder sinnvoll noch bezahlbar. Die drei Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica sehen das ähnlich und verweisen dabei auf eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (Wik), das dem Bund gehört.
Der Studie zufolge drohen die Kosten für die Erfüllung strenger Auflagen den Wert der Frequenzen deutlich zu übersteigen. Anders gesagt: Die drei Netzbetreiber würden krasse Verluste machen und womöglich dafür zahlen, was die Politik durch sukzessive Förderung und Ausbau über Jahre versäumt hat.
Was schlägt die Bundesnetzagentur vor?
Die Bundesnetzagentur wählte einen Mittelweg zwischen Interessen der Politik und der Netzbetreiber: 98 Prozent der Haushalte in Deutschland sollen bis Ende 2022 Zugang zu schnellem mobilen Internet bekommen, auch Autobahnen, Bund- und Landstraßen sowie alle Zugstrecken und wichtige Wasserstraßen sind in der Versorgungsverpflichtung mit drin. Allerdings: Es geht nicht mehr explizit um 5G, sondern um eine Mindestübertragungsrate von 100 MBit pro Sekunde beziehungsweise 50 MBit pro Sekunde. Das wäre mitunter auch mit LTE-Antennen machbar - also nicht so teuer für die Netzbetreiber wie bei einer reinen 5G-Verpflichtung.
Wie geht es weiter?
"Im Anschluss" an die Beiratssitzung will Netzagenturchef Homann die Vergaberegeln festlegen, also vielleicht noch am Montag, vielleicht auch erst in den nächsten Tagen. Im Vergleich zu dem Text, den die Behörde Mitte November als "finalen Entwurf" publizierte, dürfte es nur wenig Veränderungen geben. Im Frühjahr soll die Auktion sein, danach würde der 5G-Ausbau starten. Erste Verträge soll es ab 2020 zu kaufen geben.
Wie viel Geld spült die Auktion in die Staatskassen?
Fünf Milliarden Euro könnte der Staat nach Einschätzung des Instituts Wik bei der Auktion einnehmen. Unvergessen sind die Einnahmen aus der UMTS(3G)Frequenzversteigerung im Jahr 2000 - umgerechnet mehr als 50 Milliarden Euro sackte der Bund damals ein. Experten sehen das im Rückblick als Beginn einer Misere, die sich nicht wiederholen sollte.
Denn die Netzbetreiber hatten damals so viel Geld für die Lizenzauktion bezahlt, dass ihre Investitionen in das Netz selbst nicht allzu üppig ausfielen - und so entstanden Funklöcher, die mancherorts bis heute blieben. Nun gibt es schon Forderungen etwa von der Gewerkschaft Verdi, ganz auf die Auktion zu verzichten und die Frequenzen stattdessen gegen strenge Auflagen zuzuteilen - die Netzbetreiber sparen sich Auktionskosten, werden zugleich aber zu hohen Ausbau-Investitionen gezwungen. Doch solche Forderungen liegen nicht auf Linie der Bundesnetzagentur.
Warum streitet alle über „Nationales Roaming“?
Hierbei würden die Netzbetreiber als Platzhirsche dazu verpflichtet, Neueinsteigern wie United Internet (1&1) vorerst auf ihre Antennen zu nehmen - die Billig-Konkurrenz dürfte also Telekom- oder Vodafone-Anlagen nutzen, was deren vermeintliches Alleinstellungsmerkmal - ein gutes Netz in der Fläche - zunichte machen würde. Die Politik wertete National Roaming großteils positiv, da durch den Neueinsteiger mehr Wettbewerb entstünde und die Preise für die Verbraucher fielen, so das Kalkül. Die Netzagentur entschied sich aber dagegen und schreibt nur ein "Verhandlungsgebot" in das Regelwerk. Verhandelt ein alteingesessener Netzbetreiber also nicht mit dem Neueinsteiger, könnte die Regulierungsbehörde intervenieren und Bußgelder verhängen. Der Bußgeldkatalog falle aber viel zu milde aus, moniert etwa der Grüne Oliver Krischer.Strittig ist zudem, ob Netzbetreiber im ländlichen Raum gemeinsam Antennen installieren und sich teilen sollen. Bisher gehen die Telekom , Vodafone und Telefónica in weiten Teilen getrennte Wege - und können mit besserem Empfang in einer Gegend gegenüber dem Wettbewerber punkten. Bei einer gemeinsamen Nutzung fiele so ein lokaler Vorteil weg. Andererseits würde eine Kooperation die Ausbaukosten insgesamt deutlich drücken - statt drei separater Masten in der Pampa würde nur noch einer gebaut. Niedrigere Kosten dank gemeinsamer Bauten wiederum wäre eine gute Maßnahme im Kampf gegen Funklöcher, so die Überlegung aus der Politik. Bisher ist die Netzagentur aber gegen eine Kooperations-Verpflichtung.(Mit Material von dpa)Lesen Sie auch: