Zum ersten Mal befassen sich die obersten Zivilrichter Deutschlands mit Klagen von Dieselkäufern gegen ihre Autohändler. In allen vier Fällen wollen die Kläger, dass ihre etliche Jahre alten Autos mit dem Skandalmotor EA189 gegen einen Neuwagen getauscht werden. Sie hatten die fabrikneuen Wagen 2009 beziehungsweise 2010 gekauft - und hatten dann sieben, acht Jahre später den Tausch verlangt und geklagt. Die entscheidende Frage dabei ist, ob sie sich vom Händler auf das Software-Update verweisen lassen müssen, weil der Ersatz des Fahrzeugs unverhältnismäßig wäre. VW selbst ist also nicht direkt beteiligt. Ein Unternehmenssprecher bezifferte die Menge der betroffenenVerfahren auf eine mittlere zweistellige Zahl.
Nächste Runde im VW-Abgasskandal beim BGH:
Jetzt geht es um Klagen gegen Autohändler
Das Auto muss laut ADACfabrikneu sein, darf also keine Mängel infolge längerer Standzeit haben. Zwischen Herstellung des Autos und Abschluss des Kaufvertrages dürften zudem nicht mehr als zwölf Monate liegen. Ein Mangel liegt unter anderem dann vor, wenn dem Neuwagen Prospekt- oder Werbeaussagen fehlen. Konstruktionsänderungen etwa müssten Kunden nur hinnehmen, wenn sie "unerheblich" und "zumutbar" sind. In den ersten sechs Monaten nach dem Kauf muss der Verkäufer beweisen, dass das Auto zum Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei war. Danach ist der Käufer in der Beweispflicht. Er muss den Verkäufer laut Autoclub zur sogenannten kostenlosen Nacherfüllung auffordern. "Der Verkäufer darf die Nachbesserung oder Ersatzlieferung nur verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist."
Ganz unterschiedlich.Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat zweimal den Käufern Recht gegeben und ihren Anspruch auf die Nachlieferung eines Neufahrzeugs"wegen des in der fehlerhaften Software liegenden Mangels des Fahrzeugs"bestätigt, wie der BGH vorab mitteilte. Anders entschieden das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht und das Saarländische Oberlandesgericht und versagten dieForderungen nach der Nachlieferung eines mangelfreien typengleichen Neufahrzeugs.
Die beiden Gerichte in Saarbrücken und Schleswig führten denAngaben zufolge unter anderem an, ein neues Fahrzeug sei unverhältnismäßig. Die mit mehr als 10.000Euro zu veranschlagenden Kosten der Nachlieferung überstiegen die Kosten der Nachbesserung von 100 Euro bei weitem, hieß es in dem saarländischen Fall. Die Kläger hätten auch nicht ausreichend dargelegt, dass das Aufspielen des Updates zu neuen Mängeln an dem Fahrzeug führe.
Den Punkt der Unverhältnismäßigkeit bewertete das Kölner OLG gänzlich anders. Dies gelte selbst dann nicht, wenn man den vomHändler genannten rund 70 Prozent höheren Beschaffungspreis für das Nachfolgemodell zugrunde lege, hieß es. Denn einerseits reduziere sich der Beschaffungsaufwand für denHändler durch den Restwert des ursprünglichen Fahrzeugs. Und andererseits könne er bei VW Regress nehmen. Das Kölner Gericht war auch der Ansicht, der Kläger müsse keine (kostengünstige) Nachbesserung durch ein Aufspielen des Updates hinnehmen, weil nicht feststehe, dass keine Folgeprobleme entstünden.
Das ist unklar und vomVerlauf der Verhandlung abhängig. Pauschal kann man das nicht sagen. Manchmal verkünden dieBGH-Richter und -Richterinnen noch am selben Tag ihr Urteil, oft erst Wochen später.
Auch hier ist keine generelle Aussage möglich. In seinem ersten und wichtigsten Urteil zum Abgasskandal im Mai 2020 hatte der BGH entschieden, dass VW seine Kunden systematisch getäuscht hat: Hätten sie gewusst, dass Autos mit dem Motor EA189 viel mehr Schadstoffe ausstießen als auf dem Prüfstand messbar, hätten sie sich wohl für ein anderes Fahrzeug entschieden. Inzwischen hat der BGH viele Detailfragen geklärt oder verhandelt noch darüber.Da geht es mal um Fälle, bei denen das mangelhafte Auto schon verkauft wurde, mal um Spezialfragen beispielsweise zu Leasing-Autos oder zur Verjährung. Nicht immer entschied der BGH dabei zugunsten der Käufer. (dpa/gem)
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