Hochbetrieb bei Autowerkstätten

Neuss/Essen. Das eingezäunte Gelände im Industriegebiet ist ein Ort der Verwüstung. Dennoch herrscht hier eine gewisse Ordnung. Am Tor-Eingang stehen Autos, die nur eine zersplitterte Frontscheibe und ein paar Dellen im Blech haben, weiter hinten parken die Wracks. Verbeulte Dächer und Motorhauben, komplett verbogene Rahmen, als wäre es kinderleicht gewesen, sie zu deformieren. Beim Sturmtief «Ela» vor knapp einem Monat waren gewaltige Kräfte am Werk.

«So viele Wagen auf einen Schlag haben wir nach einem Unwetter noch nie bekommen», sagt Joachim Beier von der gleichnamigen Autoverwertung in Neuss. Sein Geschäft ist das Ausschlachten von Fahrzeugen - und das hat nach dem Sturmtief Hochkonjunktur, auch wenn Beier das aus Mitgefühl nur ungern zugibt.

Schließlich basiert der Handel auf dem Unglück anderer - oder auch Glück: Auf seinem Hof steht ein roter Kleinwagen, oder vielmehr das, was noch davon übrig ist. Ein umstürzender Baum hat die linke Hälfte platt gemacht. «Die Fahrerin saß währenddessen auf der anderen Seite und blieb unverletzt». Daran muss Beier jedes Mal denken, wenn er an dem Wrack vorbei geht.

Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft wurden bundesweit etwa 100 000 Schäden an Kraftfahrzeugen in Höhe von rund 250 Millionen Euro gemeldet. Zahlen für NRW gibt es nicht. Sturmschäden deckt die Teilkasko-Versicherung ab, ersetzt wird der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert. Die kaputten Fahrzeuge vertreiben Versicherungen online. «Verwertungsunternehmen wie wir bieten dann und zahlen den Restwert», sagt Beier. «Je mehr wir bieten, desto weniger muss die Versicherung dem Kunden erstatten.»

Sein Unternehmen nutzt wiederum andere Portale im Netz, um die ausgebauten Teile weiterzuverkaufen. Um die 3000 hat er zurzeit im Angebot. Für gebrauchte Motoren nimmt er bis zu 1000 Euro, Motorhauben gibt es schon für 80 bis 200 Euro. Das größte Schätzchen unter den Trümmerwagen, das noch «entkernt» werden muss, ist ein alter Jaguar, Sonderedition von 1992. Vielleicht finden sich über das Internet Liebhaber oder interessierte Werkstätten, hofft Beier. «Gerade Werkstätten haben gerade großen Bedarf.»

«Hauben, Glasdächer, Scheiben - wir machen zurzeit fast nichts anderes», sagt Gerd Zschoche, Inhaber einer Düsseldorfer Werkstatt. Wenn es um die Karosserie geht, ist sein Betrieb die nächsten fünf Wochen ausgebucht. Von Mitbewerbern weiß er, dass sie in derselben Situation sind. Seine Empfehlung für betroffene Autobesitzer: «Auf Werkstätten in Mönchengladbach, Viersen und Krefeld ausweichen.»

Auch in einer Essener Vertragswerkstatt eines deutschen Autoherstellers gibt es Engpässe - nicht aber bei der Terminvergabe. «Das ist nicht das Problem», sagt Detlef van Ackern. «Wir haben hier allerdings jede Menge Autos stehen, die wir nicht fertig machen können, weil Teile fehlen.» Vor allem beim Zubehör für Dächer gebe es Lieferschwierigkeiten. «Die Lagerbestände sind längst aufgebraucht.»

Auch wenn der Ansturm auf die Werkstätten bald nachlässt: Ein paar Wagen werden noch nachkommen. Laut Ordnungsamt in Düsseldorf und Essen sind längst noch nicht alle Autos von der schweren hölzernen Last befreit. In Düsseldorf erregte einer der von einem Baum plattgemachten und noch blockierten Wagen am Straßenrand besondere Aufmerksamkeit: Das rote, einst schnittige Auto von Willy Eibauer. Der 82-Jährige fand kürzlich ein Schreiben an der Scheibe mit der Aufforderung, das Wrack doch bitte zeitnah zu beseitigen. Der Rentner wandte sich an die Medien und beschwerte sich.

Da ihm das Geld für einen neuen fahrbaren Untersatz fehlt, hat ihm sein Nachbar jetzt einen Spendenaufruf bei Facebook eingerichtet. Unter dem Titel «Ein Auto für Willy» sind über das soziale Netzwerk bereits 120 Euro zusammengekommen. Bei Joachim Beier würde es dafür gerade mal eine Vorderachse geben. (dpa/swi)