Beim Chiphersteller Infineon laufen derzeit die Geschäfte rund. Der boomende Halbleitermarkt und die fortgesetzte Erholung der Automobilmärkte treiben derzeit die Nachfrage. Der sich durch die Corona-Pandemie beschleunigte Trend zur Digitalisierung sorgt auch langfristig für gute Aussichten. Lieferengpässe könnten die Entwicklung jedoch kurzfristig dämpfen. Was bei Infineon los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.
Infineon im Fokus - Es läuft gut:
Halbleiterboom trifft auf Lieferengpässe und Digitalisierung
Konzernchef Reinhard Ploss hat derzeit eigentlich Grund zur Freude. Die Geschäfte von Infineon laufen auf vollen Touren. Zum zweiten Quartal (per Ende März) konnte er nicht nur weitere Zuwächse bei Umsatz und Gewinn verkünden, sondern auch die Prognose für das Geschäftsjahr 2020/21 zum zweiten Mal leicht anheben. Vor allem im besonders wichtigen Automobilgeschäft konnte Infineon zuletzt klar zulegen. Mit der Autoindustrie macht Infineon den Löwenanteil seines Umsatzes. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern dort die Folgen der Corona-Krise zu spüren bekommen.
Elektronik zur Beschleunigung der Energiewende und für die Arbeit und das Leben zuhause blieben zudem sehr gefragt, verdeutlichte Ploss bei den Quartalszahlen. "In den meisten Anwendungsfeldern übersteigt der Bedarf das Angebot deutlich. Die Werke von Infineon laufen auf Hochtouren und wir investieren weiter in zusätzliche Kapazitäten", unterstrich der Manager.
Engpässe sehe Infineon in jenen Segmenten, in denen der Konzern Chips von Auftragsfertigern beziehe - insbesondere bei Mikrocontrollern für das Auto und IoT-Produkte, sagte Ploss mit Blick auf den nach wie vor akuten weltweiten Halbleitermangel. Die Probleme könnten noch einige Quartale bestehen bleiben. Das Risiko eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage könnte sogar bis ins Jahr 2022 anhalten, so Ploss.
Für das Ende Juni abgelaufene dritte Quartal rechnet das Unternehmen mit Erlösen zwischen 2,6 und 2,9 Milliarden Euro, nach 2,7 Milliarden Euro im vorherigen Vierteljahresabschnitt. So verwies Infineon darauf, dass weiterhin bestehende Liefereinschränkungen das Umsatzwachstum dämpfen werden, unter anderem aufgrund der zwischenzeitlichen Abschaltung der Fertigungsanlagen in Austin (US-Bundesstaat Texas).
Hinzu kämen die knappen Kapazitäten bei Auftragsfertigern. Ungeachtet dessen machte Infineon klar, dass auch weiterhin mit Unsicherheiten durch die Coronavirus-Pandemie zu rechnen und die Vorhersagbarkeit des weiteren Geschäftsverlaufs eingeschränkt sei. Die Zahlen will Infineon am 3. August vorlegen.
Für 2020/2021 erwartet Infineon derzeit einen Umsatz von etwa 11 Milliarden Euro, plus oder minus 3 Prozent, und damit etwas mehr als zuletzt im Februar angepeilt. Dabei profitiert das Unternehmen auch von der Integration der milliardenschweren Übernahme des US-Konzerns Cypress Semiconductor. Auch die operative Gewinnmarge soll etwas höher ausfallen als zunächst anvisiert.
Von den 13 im dpa-AFX Analyser erfassten Spezialisten, die seit Mai ihre Analysen aktualisiert haben, raten elf zum Kauf der Aktie. Alexander Duval von Goldman Sachs etwa begründete seine Kauf-Empfehlung damit, dass Infineon derzeit von einer starken Nachfrage in den Absatzmärkten profitiere, wobei die Digitalisierung als Treiber fungiere.
Er verwies dabei auch auf eine Investorenveranstaltung zur Sparte Power & Sensor Systems, in der unter anderem das Geschäft mit Chips für die Stromversorgung sowie für mobile Endgeräte wie Tablets und Smartphones gebündelt ist. Für das Geschäftsjahr 2021/22 werde dort angesichts der strukturellen Beschleunigung der Digitalisierungstrends mit nachhaltigem Wachstum gerechnet. Die Dynamik der Endmärkte sei über viele wichtige Produktgruppen hinweg robust.
Berenberg-Analystin Tammy Qiu schätzt, dass die Engpässe bei Halbleitern anhalten dürften. Allerdings habe sich der Verhandlungsspielraum bei den Preisen vergrößert. Infineon gehöre zu den Profiteuren der E-Mobilität und sollte auch im kommenden Jahr von einer starken Nachfrage profitieren. Auch Fahrer-Assistenzsysteme seien ein langfristiger Wachstumstreiber, unterstrich sie.
Mark Li vom US-Analysehaus Bernstein Research blickt ebenfalls vor allem auf die Entwicklung im Autogeschäft. Die hohe Nachfrage nach Chips durch die Automobilindustrie dürfte durch Themen wie elektronische Antriebe und Fahrerassistenzsysteme anhalten. Dabei geht er ebenfalls von weiter knappen Verfügbarkeiten der Halbleiter aus. Für diese mehr Kapazitäten zu schaffen, brauche Zeit.
Alexander Zienkowicz von der NordLB ist ebenfalls optimistisch. Die Aussichten für den Technologiesektor und speziell die Halbleiterbranche seien positiv, notierte der Analyst jüngst. Infineon und auch ASML profitierten derzeit am meisten vom Nachfrageanstieg. Eine spürbare Besserung der Angebotssituation sei frühestens für das erste Halbjahr 2022 zu erwarten. Zudem werde mit steigenden IT-Ausgaben gerechnet.
Das durchschnittliche Kursziel der dpa-AFX-Analyser vertretenen Analysten, die seit Mai ihre Schätzungen aktualisiert haben, liegt bei gut 40 Euro und damit deutlich über dem aktuellen Niveau. Am optimistischsten ist dabei die Berenberg Bank mit einem Kursziel von 45 Euro. Mit 32,50 Euro sieht Warburg Research dagegen den Spielraum ausgereizt, sie gehört zu den wenigen Instituten, die das Papier lediglich zum "Halten" empfiehlt.
Nach einem Höhenflug seit dem Corona-Crash kann die Infineon-Aktie derzeit nicht vom Halbleiter-Boom profitieren. Seit Ende 2020 entwickelt sich das Papier deutlich schwächer als in den vergangenen Jahren. Zwar erreichte es Anfang April mit 37,30 Euro den höchsten Stand seit 2001 - seitdem geht es jedoch bergab. So fiel das Papier bis Mitte Mai wieder auf gut 30 Euro. Seitdem hat wieder eine leichte Erholung eingesetzt. Einen deutlichen Ausbruch nach oben schaffte Infineon jedoch nicht. Aktuell notiert die Aktie bei gut 33 Euro.
So steht in diesem Jahr bislang nur ein vergleichsweise geringes Kursplus von etwas mehr fünf Prozent zu Buche. In den vergangenen drei Monaten ist der Trend sogar negativ - hier verlor das Papier fast sieben Prozent. Dennoch hat der Kurs in der Corona-Krise eine beeindruckende Entwicklung genommen. So war die Aktie beim Corona-Crash an den Aktienmärkten im März vergangenen Jahres auf bis zu gut 10 Euro abgestürzt, bevor sie zu einem Erfolgslauf ansetzte, der in diesem Frühjahr sein vorläufiges Ende fand.
Blickt man auf die Bilanz der vergangenen zwölf Monate, steht damit unterm Strich immer noch ein Anstieg von gut 50 Prozent. Die Dreijahresbilanz fällt ähnlich robust aus. Blickt man fünf Jahre zurück, steht sogar ein Kursplus von mehr als 150 Prozent zu Buche. Durch diese Rally ist das im Dax notierte Unternehmen an der Börse zuletzt erheblich wertvoller geworden. Aktuell kommt Infineon auf eine Marktkapitalisierung von rund 43 Milliarden Euro und liegt damit im Mittelfeld des deutschen Leitindex.
Infineon war seit dem spektakulären Börsengang im Jahr 2000 so gut wie immer im Dax vertreten. Bereits wenige Monate nach der Erstnotiz wurde das Papier in die erste Börsenliga aufgenommen. 2009 war das Papier allerdings für einige Monate nicht im Dax gelistet, da der Kurs wegen der Insolvenz der Speicherchip-Sparte Qimonda bis auf 34 Cent gefallen war. Damals war Infineon selbst auch in schwerem Fahrwasser und die Geschichte des Technologie-Vorzeigeunternehmens schien am Ende.
Infineon gilt auch als ein Symbol der Blase von Technologieaktien in Deutschland. Das Unternehmen wurde im März 2000 von der früheren Mutter Siemens an die Börse gebracht. Die Nachfrage damals war unter anderem wegen des großen Interesses von Privatanlegern riesig. Am ersten Handelstag verdoppelte sich der Kurs der für 35 Euro je Anteil platzierten Anteile. Bis zum Sommer ging es auf um Kapitalmaßnahmen bereinigte 84 Euro nach oben - kurz danach platzte die sogenannte Dotcom-Blase. (dpa-AFX/gem)
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