Grünes Licht für schärfere Abgastests

Straßburg. Vor allem den Abgeordneten der Grünen und Sozialdemokraten ging der Kommissionsvorschlag nicht weit genug. Doch am Ende reichte es nicht für eine Ablehnung. Bei der Abstimmung am Mittwoch im Straßburger Europaparlament entschieden sich 317 Parlamentarier gegen den Entwurf, 323 Abgeordnete stimmten dafür.

Nach langem Streit gibt es in der EU damit einen neuen Rahmen für realistischere Abgastests für Dieselfahrzeuge von September 2017 an. Grundlage für die Typzulassungen sind dann nicht mehr nur Tests auf dem Prüfstand. Die Autos müssen sich auch im Straßenverkehr als sauber erweisen. Untersuchungen verschiedener Modelle hatten hierbei teils dramatische Abweichungen ergeben. So hat etwa die Deutsche Umwelthilfe am Dienstag beim Kraftfahrtbundesamt den Entzug der Typzulassung eines C-Klasse-Dieselmodells von Mercedes wegen zu hohen Schadstoffausstoßes im Alltagsbetrieb beantragt.

Erlaubt sind nach der Euro-6-Abgasnorm, die seit fast zehn Jahren gilt, nur 80 Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer. Diesen Wert sollen neu entwickelte Fahrzeugtypen in einem ersten Schritt zwischen September2017 und Januar 2020 auf der Straße um den Faktor 2,1 überschreiten dürfen. Ab 2020 soll der Wert dann exakt eingehalten werden, eine Überschreitung um das 0,5-fache wird nur wegen der Messungenauigkeiten akzeptiert.

Damit sind Manipulationen wie im VW-Abgas-Skandal praktisch nicht mehr möglich, da die Abgasreinigung unter allen Betriebsbedingungen funktionieren muss. Die realistischere Prüfung des tatsächlichen Schadstoffausstoßes unter echten Fahrbedingungen werde die Luftverschmutzung durch Dieselfahrzeuge verringern, sagte eine Sprecherin von EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska.

Dieselfahrzeuge gelten als einer der Gründe für die hohe Belastung mit Feinstaub und Stickoxiden in vielen Ballungsräumen der Europäischen Union. So hatte Stuttgart Anfang des Jahres den ersten Feinstaub-Alarm ausgelöst und die Bevölkerung zum Auto-Verzicht aufgerufen. Die Grünen-Vorsitzende Rebecca Harms kritisierte den Experten-Beschluss der EU, der es erlaube, "die eigentlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxid noch jahrelang um ein Vielfaches zu überschreiten". Christdemokraten sprachen von einem "Sieg der Vernunft". Die neuen und durchaus anspruchsvollen Werte könnten Städten und Gemeinden bei der Luftreinhaltung helfen, sagte der CDU-Parlamentarier Herbert Reul.

Positiv äußerte sich auch die deutsche Industrie. Für den Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, bringen Abgasmessungen im Straßenverkehr den Kunden mehr Klarheit und Zuverlässigkeit. "Die deutsche Automobilindustrie ist daran interessiert, so schnell wie möglich realistischere Angaben zu Verbrauch und Emissionen ihrer Modelle anbieten zu können", sagte er, betonte aber gleichzeitig: "Diese Anforderungen sind sehr ehrgeizig." Im Vergleich zum heutigen Bestand bedeute dies eine Schadstoffsenkung von 78 Prozent. Bis 2020 würden dann weitere 29 Prozent reduziert. Viele dieser Fahrzeuge seien jedoch schon auf dem Markt oder bereits fertig entwickelt und könnten daher nicht für die neue Gesetzgebung angepasst werden.

Experten wie Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research der Uni Duisburg Essen rechnen daher in den nächsten Jahren mit Mehrkosten in Milliardenhöhe für die Automobilhersteller, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. (Mit Material von dpa)