EU-Kommission erhebt Vorwürfe gegen VW

Brüssel. Die EU-Kommission erhebt neue Vorwürfe gegen VW. Der Konzern habe gegen europäische Verbrauchergesetze verstoßen, ist die zuständige Kommissarin Vera Jourova überzeugt. Derzeit würden Informationen aus allen EU-Staaten ausgewertet, sagte sie der "Welt". "Eines zeichnet sich aber bereits jetzt ab: Volkswagen hat in den meisten Mitgliedsstaaten klar gegen europäische Verbraucherschutzgesetze verstoßen. Ich halte es deshalb für notwendig, dass wir auf europäischer Ebene koordinierend eingreifen." Verbraucherschützer aus verschiedenen Ländern hätten über einen "Mangel an Transparenz" geklagt.

Konkret geht es nach Informationen der "Welt" um Verstöße in 20 von 28 EU-Mitgliedsländern. Die EU-Kommission will die Verbraucher dabei unterstützen, ihre Ansprüche auf Entschädigungen durchzusetzen. Um wie viele Verfahren es dabei geht, ist noch nicht bekannt. Eine Sprecherin der Kommission betonte, in jedem Einzelfall müssten Gerichte klären, ob die Verbraucher ein Recht auf Entschädigung hätten.

Im September hat die amerikanische Umweltbehörde EPA aufgedeckt, dass Volkswagen in bestimmten Dieselmotoren eine Software installiert hat, die dafür sorgt, dass die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand vollständig aktiviert wird. Im Alltag sind die Emissionen, vor allen die von Stickoxid, deutlich höher als erlaubt. Weltweit sind rund elf Millionen Autos betroffen. Im Sommer hatte die EU Volkswagen aufgefordert, über freiwillige Entschädigungen nachzudenken. "Die Antwort ist nicht ermutigend", sagte die Kommissionssprecherin. "Letztlich ist es an den Verbrauchern zu entscheiden, ob sie sich fair behandelt fühlen."

Der ADAC will vermeiden, dass die VW-Kunden für Versäumnisse oder Betrug bestraft werden: "Um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, müssen Autoindustrie und Politik sicherstellen, dass sich für Verbraucher weder aus der Umrüstung noch aus der Aufarbeitung weitere Nachteile ergeben", sagte Vizepräsident Thomas Burkhardt der Deutschen Presse-Agentur. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und Abgaswerte sollte deshalb schriftlich garantiert werden. VW zufolge sollen sich weder Verbrauch noch Leistung durch den Rückruf verändern. Der Autofahrer-Club forderte, Manipulationen bei Abgastests müssten künftig soweit wie möglich ausgeschlossen werden. Bei Verstößen müsse es zudem Sanktionen geben.

Bei den europäischen Kunden und Verbraucherschutzverbänden sorgt seit Längerem für Verstimmung, dass VW seine europäischen Kunden anders behandelt als die in den USA. Während Letztere hohe Entschädigungen für ihre manipulierten Diesel-Fahrzeuge erhalten, sollen die europäischen Kunden leer ausgehen. VW begründet das mit den unterschiedlichen Rechtssystemen und damit, das der Rückruf in Europa bereits begonnen hat.

Dieser Auffassung ist auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Es seinen "harte Konsequenzen" gezogen worden, sagte er dem "Focus", schließlich müsse VW alle Fahrzeuge nachrüsten, um sie in einen gesetzeskonformen Zustand zu bringen. Auf die Kritik an der Ungleichbehandlung europäischer und amerikanischer Kunden verwies er wie das Unternehmen auf die unterschiedlichen Rechtssysteme. VW-Konzernchef Matthias Müller ist inzwischen der Meinung, man hätte nach Bekanntwerden des Skandals aktiv auch auf nicht betroffene Kunden zugehen und diese anschreiben müssen: "Das war ein Fehler. An der Stelle müssen wir einfach besser werden."

Jourova will sich diese Woche mit Vertretern von Verbraucherschutzverbänden treffen. Dabei soll "Welt"-Informationen zufolge darüber beraten werden, wie die EU-Kommission durch Koordinierungsmaßnahmen dabei helfen kann, die Interessen der Verbraucher zu schützen. Auch über eine Strategie zur Durchsetzung von Entschädigungen soll Thema der Gespräche sein. Auch mit VW-Vertretern soll es auf Wunsch des Unternehmens ein neues Treffen geben. (dpa/swi)