Herr Wolf, wie bewerten Sie die Forderung der IG Metall von fünf Prozent?
Die Forderung ist deutlich zu hoch. Die IG Metall hat die Rahmenbedingungen, mit denen wir leben müssen, nicht richtig erkannt. Im Schnitt verdienen die Menschen in der baden-württembergischen Metallindustrie 61.000 Euro. Eine Erhöhung von fünf Prozent brächte im Schnitt ein Plus von 3000 Euro - das ist mehr, als viele Arbeitnehmer im Monat verdienen. Wir haben bei den letzten drei Abschlüssen sehr viel verteilt. Bei wohlwollender Betrachtung sehe ich eine Inflation von 0,4 Prozent und einen Produktivitätsfortschritt von knapp einem Prozent. Es ist also an der Zeit, gar nicht über weitere Umverteilung nachzudenken. Unsere Unternehmen leben nicht vom privaten Konsum. Denn wir müssen sehen, dass die Abschreibungen seit Jahren über den Investitionen liegen. Wir deindustrialisieren unser Land.
Wie weit liegen die Positionen diesmal auseinander?
Die Positionen liegen sehr weit auseinander. Wir haben eine sehr deutliche Missstimmung in unseren Betrieben. Seitdem die IG Metall eine Forderung von fünf Prozent diskutiert, haben wir acht Austritte, weitere haben ihren Austritt angekündigt. Das sind ungewöhnlich viele. Das kann auch nicht im Sinne der IG Metall sein. Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass unser Sozialpartner einlenkt. Wir bleiben aber bei unserer klaren Position.
Welche Folgen werden die angekündigten Aktionen in nicht tarifgebunden Firmen haben?
Mir fehlt dafür das Verständnis. Es ist im Grundgesetz klar geregelt, dass es auch eine negative Koalitionsfreiheit gibt. Nur attraktive Bedingungen in Tarifverträgen führen zu mehr Tarifbindung. Sie können auf Dauer kein Unternehmen in einen Tarifvertrag zwingen. Ob die IG Metall ihre neue Streiktaktik ausreizt, muss man sehen. Wenn es beispielsweise zu 24-Stunden-Streiks kommen sollte, wird das den Unmut unter unseren Mitgliedern noch verschärfen. Mein Ziel ist es, in den nächsten Jahren mit der IG Metall ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, wie wir miteinander den Standort Deutschland stärken.
ZUR PERSON: Stefan Wolf ist seit 2012 Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. In dieser Funktion führt er die Tarifverhandlung für die Metall- und Elektroindustrie. Der 54-Jährige leitet den Autozulieferer ElringKlinger. (dpa-AFX/gem)