Wolfsburg. Es war wieder einmal einer dieser typischen Piëch-Sätze - einer der zeigt, wer bei VW das Sagen hat. Knapp, aber schonungslos demontierte der VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch seinen langjährigen Vorstandschef Martin Winterkorn: «Ich bin auf Distanz zu Winterkorn», sagte der VW-Patriarch dem Nachrichtenmagazin «Spiegel». Dabei war Winterkorn lange Zeit sein «Ziehsohn».
Äußerungen dieser Art sind Legende. «Göttervater» nannte ein Kleinanleger Piëch einmal - dessen Aussagen gefürchtet sind. Im Jahr 2009 mitten im Übernahmekampf mit Porsche sagte Piëch auf die Frage, ob der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sein Vertrauen genieße: «Zur Zeit noch. Streichen Sie das «noch»!».
Der 77 Jahre alte Enkel des legendären Autokonstrukteurs Ferdinand Porsche sieht VW als sein Lebenswerk. Aus dem einstigen Übernahmekandidaten formte er einen Weltkonzern, in dem inzwischen vom Motorrad über Pkw bis zum Schwerlaster die gesamte Automobilpalette vom Band rollt. Der Österreicher verbindet als Aufsichtsratschef und Patriarch seine Liebe zur Technik mit strenger Führung und familiärem Unternehmertum.
Ferdinand Karl Piëch, so sein voller Name, lenkte den Konzern selber von 1993 bis 2002 und überwacht ihn seither als Aufsichtsratschef. Sein Familienstamm Porsche/Piëch ist Großaktionär bei Volkswagen. Über das Erfolgsrezept für gelungene Konzernführung sagt Piëch in seiner Autobiografie: «Die Vorstellung einer höchstkarätigen inneren Mannschaft von fünf bis zehn Leuten, deren Zusammenspiel wiederum nur ein Einzelner im Detail lenkt, hat mich ein Leben lang nicht losgelassen. Es ist für mich das wichtigste Rezept geblieben, wie man tatsächlich Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb erzielen kann.»
Der starke Fokus auf Einzelne, der sich im Tandem Winterkorn-Piëch wiederfand, ist allerdings auch umstritten - zumindest extern. 2012 soll Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) Piëch als einen «Außerirdischen» bezeichnet haben. Es ging damals um geeignete Regeln für die Machtbalance in Großkonzernen, um firmeninterne Richtlinien für gute Unternehmensführung und um die Vorstandsvergütung.
In jüngerer Zeit drehten sich auch VW-interne Debatten um das Erfolgsrezept für die Führung des PS-Imperiums. VW müsse Strukturen verstärkt infrage stellen, sagte VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh. Nicht alles lasse sich von Wolfsburg aus steuern. Was nach der Ära Piëch kommt, ist seit Jahren eines der Topthemen in der Autowelt - nach der Demontage Winterkorns ist der Ausgang ungewisser denn je.
Über Stationen bei Porsche und Audi kam Piëch nach Wolfsburg - und er ist jemand, der auch einen Motor zusammenschrauben kann. Der Maschinenbauer gilt als technikversessen. Privat segelt er gerne, beschäftigt sich mit fernöstlicher Kultur und japanischer Ethik.
Längst gibt es viele Superlative für den VW-Patriarchen. «Piëch hat die Automobilbranche geprägt wie kein Zweiter», sagte beispielsweise Altkanzler Gerhard Schröder Anfang 2014 in einer Laudatio auf den Österreicher. Der entgegnete, Autobauen sei doch nur sein «Hobby».
Piëch graduierte 1962 mit einer Arbeit über Formel-1-Motoren zum Diplom-Ingenieur. In Mitarbeiterkreisen kursieren Legenden über ihn. Eine geht so: Piëch trifft auf ein Ingenieursteam, das ihm sein Leid über den kniffligen Krümmungswinkel eines Bauteils klagt, durch das etwas hindurchströmen soll. Piëch hört zu, schüttelt am Ende den Kopf und verrät den Experten die Lösung: Erst die Kombination aus Krümmung und variierendem Durchmesser des Bauteils werde zur Lösung führen.
Bei der am Ende für VW siegreichen Schlacht gegen Porsche galt Piëch als zentrale Klammer in den Facetten des PS-Imperiums. Sein Wort ist oft ein Maß der Dinge. Menschen, die Piëch gut kennen, beschreiben ihn als einen, der mit dem Nimbus des Machtmenschen auch hadert. Er sei gar nicht so, wie die Medien ihn zeichneten, sagte er so manchem.
In der Öffentlichkeit erscheint er meistens in Begleitung seiner blonden Ehefrau Ursula (58), genannt Uschi. Rechtzeitig holte er sie in den VW-Aufsichtsrat, genauso bei der VW-Renditeperle Audi. Eingehakt am Arm seiner Gattin; so flanieren sie über Messen und Termine. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder. Sein milliardenschweres Erbe hat Piëch über ein Stiftungskonstrukt geregelt. (dpa/av)