Der Auto- und Lkw-Bauer Daimler hat bisher kein gutes Jahr. Seit der Amtsübernahme im Mai musste der neue Vorstandschef Ola Källenius bereits zweimal die Prognose kappen. Mitte November steht sein erster echter Prüfstein bei den Investoren an. Zuvor aber will er mit den Zahlen zum dritten Quartal an diesem Donnerstag (24. Oktober) zumindest im Vergleich mit dem Jahresbeginn eine etwas bessere Bilanz vorlegen.
Der neue Chef Källenius ist sofort massiv gefordert
Am 11. Oktober traf den Konzern ein weiterer Rückruf wegen mutmaßlich illegaler Abgastechnik bei Mercedes-Dieselautos. Betroffen sind mehrere hunderttausend Fahrzeuge. Schon zuvor hatte Daimler auf Betreiben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mehrere Hunderttausend Fahrzeuge zurückrufen müssen. Der Konzern hält die in den Fahrzeugen verbaute Abgasreinigung allerdings weiter für gesetzeskonform.
Aus der Politik bläst dem Konzern aber nun stärkerer Gegenwind ins Gesicht. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach in der "Bild am Sonntag" von "Trickserei" und "Salamitaktik" des Unternehmens.
Das macht Källenius die Aufgabe nicht leichter, nach der Amtsübernahme vom langjährigen Ex-Chef Dieter Zetsche, die Geschäfte wieder zu stabilisieren. Die Pkw-Märkte weltweit bieten weiter Anlass zur Sorge, auch wenn Mercedes im dritten Quartal nach dem schwachen Jahresbeginn beim Absatz punkten konnte – vor allem dank der neuen Kompaktwagenmodelle. Zwischen Juli und September kletterten die Pkw-Auslieferungen der Marke im Vergleich mit dem schwachen Vorjahreszeitraum um gut 12 Prozent auf 590.514 Autos.
Spannender als die Quartalszahlen wird es für die Anleger aber wohl, wenn Källenius Mitte November seine neue Strategie samt lang erwartetem Sparprogramm vorlegt. Ein Gesamtpaket soll es werden, dass den Investitionsbedarf in neue Antriebe und Technik genauso bewältigt wie den Renditeanspruch der Investoren.
Denn die Aktionäre mussten den Gürtel zuletzt deutlich enger schnallen, milliardenschwere Dieselrückstellungen rissen den Konzern im zweiten Quartal sogar in die roten Zahlen. Der Schwede hat "dramatische" Effizienzsteigerungen gefordert und zudem bei den Führungskräften in einem Brandbrief zu schnellen Sparerfolgen gemahnt.
Daimler kalkuliert auch wegen der nach wie vor ordentlich laufenden Lkw-Märkte mit einem leichten Umsatzplus auf Konzernebene in diesem Jahr (2018: 167,4 Mrd Euro). Bei der Pkw-Sparte Mercedes-Benz dürfte sich der Erlös hingegen auf Vorjahresniveau bewegen.
Die operative Umsatzrendite (Ebit) der wichtigsten Sparte soll zwischen 3 und 5 Prozent liegen. Das ist für Daimler-Ansprüche deutlich zu wenig, die Zielmarge liegt eigentlich zwischen 8 und 10 Prozent.
So kommt es auch, dass das Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern in diesem Jahr deutlich unter dem Vorjahreswert von 11,1 Milliarden Euro liegen dürfte. "Deutlich" meint bei Daimlers Ergebniskennziffern einen Rückgang von mindestens 15 Prozent.
Die Erwartungen des Kapitalmarkts an Strategie und Sparpaket sind enorm, Källenius muss mit seinem ersten großen Projekt viel verlorenes Vertrauen gutmachen. Der Konzern dürfte sich mit dem angekündigten Maßnahmenbündel eine Steigerung der Profitabilität sowohl in der Auto- als auch der Lkw-Sparte vornehmen, schrieb JPMorgan-Analyst Jose Asumendi.
Commerzbank-Experte Demian Flowers sieht bereits neue Probleme aufziehen. Flowers Sorge bleibt der strukturelle Preisdruck im Premiumsegment, das Umfeld sei weiter klar schwach. Daher glaube er auch nicht daran, dass Mercedes-Benz Cars angesichts höherer Kosten für CO2-Emissionen und Abschreibungen wie angestrebt 2021 wieder zu 8 bis 10 Prozent Zielmarge zurückkehren kann – trotz Kostensenkungen.
Auch im Lkw-Geschäft steht dem Konzern eine schwierigere Phase bevor, wenn es nach Kai Müller von der Bank of America geht. Schon länger stehen die Zeichen in der Weltkonjunktur auf Abschwung, und die Lkw-Märkte sind sehr konjuktursensibel.
Beim Umsatz rechnen die sieben von der Nachrichtenagentur Bloomberg bis Dienstag befragten Analysten von einem Anstieg im dritten Quartal von gut sieben Prozent auf 43,2 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis dürfte demnach mit 2,5 Milliarden auf Vorjahresniveau liegen.
Die Daimler-Aktie hat sich für Aktionäre schon seit Langem nicht mehr so richtig ausgezahlt, wenn man auf den Kurs schaut. Mitte März 2015 lag das Hoch bei mehr als 96 Euro, seitdem ging es in einem übergeordneten Trend bergab bis auf ein Tief im August dieses Jahres bei nur noch gut 40 Euro, aktuell sind es rund 50 Euro.
In diesem Jahr hat das Papier rund ein Zehntel zugelegt. Damit schneiden die Stuttgarter besser ab als der Münchener Erzrivale BMW, dessen Stammaktien in diesem Jahr noch leicht im Minus liegen.
Zunächst ging es für die Daimler-Aktie in diesem Jahr deutlich bergauf bis auf das Hoch von 60 Euro, dann aber schlugen die Gewinnwarnungen nebst Milliardenbelastungen deutlich ins Kontor. Daimler ist an der Börse aktuell gut 55 Milliarden Euro wert.
Für Neuanleger kann der Einstieg bei Daimler in schlechten Zeiten aber auch eine Chance sein, schließlich lockt auch wegen des Kursrückgangs eine hohe Dividendenrendite. Allerdings fürchten Analysten schon, dass Daimler dieses Jahr auch die gekappte Prognose beim Free Cashflow verfehlt und per Saldo eben keinen Mittelzufluss präsentieren kann – das würde die Aussichten für die Dividende erneut schmälern. (dpa-AFX/gem)
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