Berlin. Mindestens eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis 2020 auf deutsche Straßen bringen. Völlig utopisch, meinen inzwischen viele - denn bisher sind die Zahlen noch nicht einmal sechsstellig. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum ist der Politik überhaupt so wichtig, welches Auto wir fahren?
Hauptvorteil der steckdosentauglichen Autos ist, dass sie besonders umweltfreundlich sind. Denn reine E-Autos stoßen beim Fahren weder Schadstoffe noch klimaschädliche Treibhausgase aus, und die Motoren machen deutlich weniger Lärm. Der Bundesregierung schwebt außerdem vor, die Batterien in den Autos als mobile Speicher für Sonnen- und Windenergie zu nutzen: Bei Spitzen im Netz könnten sie den überschüssigen Strom aufnehmen, bei Bedarf dann ans Netz zurückgeben.
Die «Auto-Nation» Deutschland will auch technologisch internationaler Leitanbieter werden. Ende 2014 waren bereits 17 Elektromodelle deutscher Hersteller am Markt, zwölf weitere sollten 2015 folgen.
Klingt erst einmal gut - und wo ist das Problem?
Bisher hakt es vor allem am Preis und an der Alltagstauglichkeit. Die Batterien und kleineren Stückzahlen machen E-Autos noch um einiges teurer als herkömmliche Verbrenner. Ein Beispiel: Deutschlands meistverkauftes Auto, der VW-Golf, startet in seiner günstigsten Verbrennervariante mit kleinem Benzinmotor bei 17.650 Euro - der e-Golf dagegen ist erst ab 34.900 Euro zu haben. Außerdem können die Batterien noch lange nicht so viel Energie speichern wie ein gefüllter Tank, je nach Modell kommt man 100 bis 200 Kilometer weit.
Rund drei Viertel aller E-Auto-Fahrer nehmen für Reisen und Ausflüge denn auch einen «normalen» Zweitwagen, wie aus einer großangelegten Umfrage des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hervorgeht. Zum «Stromtanken» unterwegs fehlt es auch noch an einem lückenlosen Netz von Schnellladesäulen.
Schlägt sich das auch in den Verkaufszahlen nieder?
Zum Jahresanfang zählte der Verband der Automobilindustrie (VDA) rund 25300 zugelassene Elektroautos - eigentlich hatten es zu diesem Zeitpunkt schon 100.000 sein sollen. Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen kommt daher in einer Marktanalyse zu dem Schluss, dass «das Experiment «Elektroauto» in Deutschland gescheitert» sei. Auch bei sogenannten Plug-In-Hybriden - also E-Autos, die noch einen Verbrennungsmotor für größere Distanzen haben - stocke die Entwicklung.
Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein Beratungsgremium der Bundesregierung, sagt im Fortschrittsbericht 2014 ebenfalls klar: «Nur wenn zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, kann Deutschland nach heutigem Kenntnisstand das Eine-Million-Ziel erreichen.» Passiert zu wenig, laufe es eher auf eine halbe Million hinaus.
Wie will die Bundesregierung es trotzdem noch schaffen?
Bisher fördern die vier zuständigen Ministerien vor allem Forschungs- und Modellprojekte. Dazu gibt es Steuervergünstigungen für E-Autos. Gerade ist außerdem das Elektromobilitätsgesetz in Kraft getreten. Damit können Kommunen künftig entscheiden, ob sie E-Autos besonders unterstützen wollen, indem diese etwa kostenlos parken oder auf Busspuren fahren dürfen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat bis 2017 rund 400 neue Schnellladesäulen an Autobahn-Raststätten angekündigt. Und das Finanzministerium prüft nach eigenen Angaben aktuell Sonderabschreibungen für E-Autos in Dienstflotten, macht das aber von einer Begleitfinanzierung durch die Länder abhängig.
Und reichen diese Maßnahmen aus?
Aus Sicht der Opposition bei weitem nicht. Die Grünen fordern beispielsweise staatliche Kaufprämien von 5000 Euro für E-Autos und 2000 Euro für Plug-In-Hybride, um den Absatz anzukurbeln. Auch Dudenhöffer kritisiert, die Regierungsstrategie beruhe «auf der naiven Annahme, dass sich die Technologie selbst ihren Weg bahnt».
Er sieht das Risiko, dass andere Weltregionen Deutschland den Rang ablaufen. China etwa unterstütze den Kauf eines Elektroautos mit umgerechnet bis zu 13.000 Euro - und zwar nur, wenn es aus heimischer Produktion stamme. Das «Fehlen einer Elektromobilitäts-Strategie» sei damit «ein hohes Risiko für den Industriestandort Deutschland». (dpa/gem)