Wenn es für eine Schlüsselbranche der Republik eng wird, lässt das die Politik selten kalt. Da waren die Banken in der globalen Finanzkrise. Nun stecken die deutschen Autobauer in einem andersartigen Strudel. Die Diesel-Affäre um Abgasbetrug und dreckige Luft in großen Städten frisst am Vertrauen von Millionen Käufern und stellt die Zukunft einer tragenden Technologie in Frage. Und diesmal ist es ein Problem "Made in Germany". Hilft die Bundesregierung den stolzen Konzernen beim "Diesel-Gipfel" trotzdem wieder elegant aus der Patsche? Kritiker prangern seit langem Kungelei mit der Politik an, die zur bedrohlichen Situation beigetragen habe.
Fast zwei Jahre nach Auffliegen des VW-Skandals hat sich die Lage sogar zugespitzt. Wenn die Autobosse an diesem Mittwoch nach Berlin kommen, lasten über einigen von ihnen noch Kartellvorwürfe, die ebenfalls mit mangelnder Abgasreinigung zu tun haben könnten. "Das Autokartell und Dieselgate haben eine gemeinsame Patin", donnerte der grüne Ex-Umweltminister Jürgen Trittin - die Regierung Angela Merkels (CDU). Selbst die amtierende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ließ erkennen, die Branche habe sich vielleicht "zu sicher" fühlen können. "Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenheit zu häufig an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen."
Anzeichen für enge Bande haben Kritiker über die Jahre einige sammeln können. Daimler holte Merkels Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) als Cheflobbyisten. Bei VW heuerte Ex-Vize-Regierungssprecher Thomas Steg an, der auch beste Drähte in die SPDmitbrachte. Mit dem langjährigen Präsidenten des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, saß Merkel schon in den 90er Jahren zusammen am Kabinettstisch. Brieflich wirbt der einstige CDU-Verkehrsminister denn auch schon mal bei der "lieben Angela" für Branchenpositionen.
Mit regelmäßigen Parteispenden ist die Autoindustrie ebenfalls präsent - wenn auch nicht als einzige Branche. Daimler überwies im April die seit Jahren üblichen 100 000 Euro jeweils an CDUund SPD. Im Juni gaben die BMW-Großaktionäre Stefan Quandt und Susanne Klatten je 50 001 Euro an die CDUund nochmal an die FDP. Auch die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Autoland Baden-Württemberg werden inzwischen von der Industrie bedacht, etwa mit 110 000 Euro von Südwestmetall 2016. Bei der SPD spielt Nähe zur IGMetall sowie den Auto-Betriebsräten eine Rolle. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil ist für den Miteigentümer Niedersachsen Aufsichtsratsmitglied bei VW.