Der Chiphersteller Infineon legt am Dienstag (5. Mai) seine Zahlen für das zweite Quartal des Geschäftsjahrs 2019/2020 vor.
Corona-Krise belastet Infineon im zweiten Geschäftsquartal
Nachdem die Chipbranche im vergangenen Jahr bereits von den Auswirkungen der globalen Handelsstreitigkeiten und der anhaltenden Schwäche der Automärkte betroffen war, kommt nun auch noch die Coronavirus-Pandemie hinzu. Vorstandschef Reinhard Ploss muss Infineon durch eine herausfordernde Phase steuern, in der die konkreten Auswirkungen der Virus-Krise kaum quantifizierbar sind. Bereits zuvor hatte Ploss mit einer schwierigen ersten Jahreshälfte gerechnet und war von einer Erholung nicht vor dem zweiten Halbjahr ausgegangen. Wie es in Anbetracht der Pandemie weitergeht und die Märkte sich entwickeln werden, ist völlig unklar.
Ungeachtet dessen betonte Ploss kürzlich, dass Infineon im Gegensatz zu vielen anderen Konzernen in der Krise momentan nicht an Staatshilfen denke. Eine Kapitalerhöhung steht Ploss zufolge im Moment ebenfalls nicht auf der Agenda. Er ist ohnehin überzeugt davon, dass langfristige Wachstumstreiber wie Elektromobilität, Internet der Dinge oder erneuerbare Energien intakt bleiben.
Anfang April erhielt der Konzern aus dem Münchener Vorort Neubiberg nach einer monatelangen Hängepartie die letzte noch fehlende Genehmigung aus China für den größten Zukauf der Unternehmensgeschichte. Zuvor hatten bereits die EU und die USA ihre Zustimmung zum 9 Milliarden Euro schweren Deal mit den Kaliforniern gegeben, der seit letztem Sommer von Infineon angepeilt wurde.
Der Kauf ist für das Unternehmen von hoher Wichtigkeit. Das Cypress-Portfolio ergänzt das eigene um verschiedene Komponenten und ermöglicht Infineon den Aufstieg unter die Top Ten der Halbleiterhersteller weltweit. Bei Chips für die Autoindustrie sieht Ploss Infineon künftig sogar als Nummer eins. Von der Übernahme verspricht sich der Manager zudem einen deutlich größeren Fußabdruck in den USA.
Die von Bloomberg befragten Marktexperten rechnen für das zweite Quartal mit Erlösen in Höhe von rund 1,99 Milliarden Euro – und damit in etwa so viel wie im Vorjahr, als das Umfeld bereits schwierig war. Damals hatte Infineon einen Umsatz von 1,98 Milliarden Euro erzielt. Gegenüber dem Vorquartal (1,92 Mrd) entspräche die Umsatzerwartung der Analysten einem Anstieg von etwa 3,5 Prozent.
Beim operativen Ergebnis (Segmentergebnis) haben die Analysten im Durchschnitt 274,3 Millionen Euro auf dem Zettel. Das wären knapp acht Prozent weniger als im Vorquartal (297 Mio) und ein Minus von rund 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (332 Mio).
Aus Sicht von Mark Li vom US-Analysehaus Bernstein Research sind die kurzfristigen Perspektiven für Infineon zwar dürftig, doch ändere dies nichts an seiner langfristig positiven These. Ähnlich sieht das auch Nicolas Gaudois von der Schweizer Großbank UBS. Für das Jahr hält er eine solide Erholung für wahrscheinlich. Gaudois ist daher grundsätzlich weiter optimistisch für die Branche.
Dagegen gibt Tammy Qiu von der Privatbank Berenberg zu bedenken, dass die Corona-Krise die Automobilnachfrage erheblich dämpfen dürfte. Gleiches gelte für die Fertigung von Industriegütern, einer weiteren Abnehmerbranche für Halbleiter. Goldman Sachs-Experte Alexander Duval geht ebenfalls von einer höheren Wachstumsrate im Jahr 2021 aus, erwartet aber zunächst niedrigere Stückzahlen für das Autogeschäft von Infineon.
Derweil unterstreicht Robert Sanders von der Deutschen Bank, dass es derzeit nahezu unmöglich sei, Ausmaß und Dauer der Belastungen der Corona-Krise auf die Halbleiterindustrie abzuschätzen. Für Harald Schnitzler von der DZ Bank sprechen unter anderem aber die starke Ausrichtung auf strukturelle Wachstumstreiber, die führende Marktposition in allen Segmenten und das krisenerprobte Management für die Infineon-Titel.
Ursprünglich hatte Infineon für das zweite Quartal ein Umsatzplus von 5 Prozent (plus oder minus zwei Prozentpunkte) gegenüber dem Vorquartal sowie eine Segmentergebnis-Marge von etwa 14 Prozent in der Mitte der Umsatzspanne erwartet. Voraussetzung dafür sei aber, dass der Ausbruch des Coronavirus keine signifikante negative Wirkung auf die Geschäftsentwicklung habe, hatte der Konzern noch Anfang Februar betont. Nachdem das Virus sich weltweit verbreitete und die Pandemie auch Infineon traf, zog der Chiphersteller dann Ende März seine Jahresprognose zurück. Infineon hatte im Zuge dessen bereits mitgeteilt, dass der Quartalsumsatz am unteren Ende der Prognosebandbreite liegen dürfte.
Der Corona-Crash hat auch bei den Infineon-Anteilsscheinen tiefe Spuren hinterlassen. Kostete die Aktie Mitte Februar kurz vor Beginn der Krise noch rund 23 Euro, sackte sie bis zum 19. März auf nur noch etwas über 10 Euro ab. Damit wurde der Wert der Papiere binnen weniger Wochen mehr als halbiert.
In der Folgewoche erholte sich der Kurs zunächst wieder etwas und kletterte auf rund 14,50 Euro, ehe die kassierte Prognose für einen weiteren kleinen Rücksetzer auf unter 13 Euro sorgte. Im Zuge des erfolgreichen Abschlusses der Cypress-Übernahme ging es für die Titel dann bis Ende April wieder auf über 17,50 Euro nach oben.
Im laufenden Jahr haben die Infineon-Papiere 14 Prozent an Wert eingebüßt. Allerdings bietet der Blick auf einen längeren Zeitraum dann doch Positives für die frühere Siemens-Tochter: In den vergangenen 5 Jahren steht für den Dax-Konzern ein Plus von rund zwei Dritteln zu Buche. Infineon kommt an der Börse aktuell auf eine Marktkapitalisierung von rund 20 Milliarden Euro. (dpa-AFX/fuh)
Lesen Sie auch:
"Genügend eigene Liquidität": Infineon braucht keine Staatshilfe
Corona-Prognose für den Halbleitermarkt: Rückgang beim Geschäft mit Automobil-Chips erwartet
Cypress-Übernahme: Infineon erhält endgültige Genehmigung
Unkalkulierbare Auswirkungen: Chiphersteller Infineon zieht Prognose wegen Corona-Krise zurück
Aus dem Datencenter: