Mit tosendem Beifall und einer Menge Vorschusslorbeeren hat die IG Metall erstmals eine Frau an ihre Spitze gewählt. Die 55 Jahre alte Christiane Benner erhielt auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt 96,4 Prozent Ja-Stimmen - und stellte damit zahlreiche prominente Vorgänger in den Schatten. Seit dem legendären Otto Brenner im Jahr 1965 hat kein IG-Metall-Chef mehr mit einem solchen Votum seine Amtszeit begonnen. Die IG Metall und die von ihr vertretenen Industriebeschäftigten stecken mitten in einem beispiellosen Umbau, wie der Soziologin Benner natürlich bewusst ist. Die Stahlindustrie bangt um staatliche Förderung zur klimaneutralen Stahlproduktion und um einen aus Steuergeld subventionierten Brückenstrompreis, Autobauer und Maschinenbauer stecken mitten in der Digitalisierung und der Transformation zu elektrischen Antrieben. "Unsere Industrie muss weiterentwickelt werden, nicht abgewickelt", hat Benner in ihrer Bewerbungsrede gesagt.
Bei allem stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Benner verspricht, um jeden einzelnen Job zu kämpfen. Die bisherige Vize-Vorsitzende will vor allem die Interessen der Beschäftigten besser sichtbar machen und sieht da bislang offenbar Defizite. "Wir kommen zu wenig vor. Ich gehe da gern voran." Nach einem von Benner gewonnenen Machtkampf hat ihr die IG Metall in Frankfurt den Start leicht gemacht. Begeistert jubeln die Delegierten ihrer strahlenden Vorsitzenden zu, als sie ein Plakat mit dem Slogan "We can do it - Wandel ist weiblich" in die Höhe streckt. Zu den ersten Gratulantinnen gehört DGB-Chefin Yasmin Fahimi, auf deren Posten Benner sich 2022 nicht hatte wegloben lassen. Stattdessen verfolgte sie beharrlich ihr Ziel, erste weibliche Chefin der mächtigsten deutschen Gewerkschaft mit mehr als 2,1 Millionen Mitgliedern zu werden.