Fahrverbote sollen vermieden werden: "Das ist auch machbar mit der Vielfalt der Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben", sagte der geschäftsführende Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) in Berlin. Er verwies unter anderem auf ein gestartetes Programm von einer Milliarde Euro zur Förderung kommunaler Maßnahmen.
Die Bundesregierung kündigt nach dem Urteil Gespräche mit Kommunen und Ländern an. Man wolle den Spruch der Leipziger Richter zunächst genau prüfen, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie verwies darauf, dass viele von zu schmutziger Luft betroffene Städte "nicht so sehr große Überschreitungen der Grenzwerte haben". Das Thema der Verhältnismäßigkeit spiele im Urteil auch eine große Rolle: "Das heißt, wir können hier vielleicht sehr schnell auch die notwendigen Grenzwerte einhalten."
Die Kanzlerin betonte, dass Luftreinhaltepläne auf jeden Fall umgesetzt werden müssten - auch mit Hilfe des Bundes. Sie hob unter anderem ein bereits laufendes Milliardenprogramm zur Förderung von kommunalen Maßnahmen hervor. Städte mit besonderen Problemen sollten noch einmal gesondert angeschaut werden.
Insgesamt rechnet Merkel nur mit begrenzten Folgen. "Es geht um einzelne Städte, in denen muss noch mehr gehandelt werden", sagte sie. "Aber es geht wirklich nicht um die gesamte Fläche und alle Autobesitzer in Deutschland."
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, ihr Ziel bleibe, dass Fahrverbote möglichst nie in Kraft treten müssten, weil die Luft auf anderem Weg sauber zu bekommen sei. Es gebe hierfür jetzt noch einen Zeitraum, der mit "beherzten Maßnahmen" genutzt werden müsse.
Die Autohersteller als "Verursacher des Problems" dürften dabei nicht aus der Verantwortung entlassen werden, sagte Hendricks. Gebraucht würden auch technische Nachrüstungen, "die so viel bringen, dass der Stickoxid-Ausstoß deutlich sinkt, und man damit weiter in die Innenstädte fahren kann". Der Druck dafür sei jetzt größer geworden.
Hendricks sagte zudem: "Wenn es zu Fahrverboten käme, bräuchten wir Kennzeichnungen für diejenigen, die nicht unter die Fahrverbote fallen. (...) Ob die "blaue Plakette" heißen oder "roter Fuchsschwanz", ist mir egal."
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann plädiert derweil eindringlich für die 'Blaue Plakette': "Wir werden wir nun umgehend auf die Bundesregierung zugehen und die Einführung der Blauen Plakette anmahnen. Denn dieses ist, nachdem nun klar ist, dass Fahrverbote rechtlich zulässig sind, unabdingbar, um kommunale Flickenteppiche zu vermeiden und eine effektive Kontrolle zu ermöglichen.“
Dieses Urteil gehe, so Kretschmann, in der Relevanz weit über Stuttgart und Düsseldorf hinaus und beträfe bundesweit eine Vielzahl von Städten und Kommunen. „Nur mit einer bundesweit einheitlichen Regelung ist eine vernünftige Umsetzung des Gerichtsurteils machbar“, so Kretschmann. Alles andere würde zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungs- und Kontrollaufwand führen. „Das gilt es zu vermeiden - da steht der Bund in der Verantwortung“, betonte der Ministerpräsident.
Unionsfraktionschef Volker Kauder hat das Urteil begrüßt, sieht den Punkt "Blaue Plakette" allerdings anders. "Dass es keine Fahrverbote flächendeckend gibt, ist eine gute Entscheidung", sagte der CDU-Politiker. "Wir brauchen jetzt also nicht davon ausgehen, dass die Menschen pauschal von ihrem Dieselfahrzeug getrennt werden." Es sei richtig, dass eine blaue Plakette nicht notwendig sei.
Die Kommunen seien nun aufgerufen, zu handeln, sagte Kauder. Nun werde man vielleicht auch die Bedeutung neuer Straßen und Ortsumfahrungen in einem neuen Licht sehen. In Stuttgart etwa könne man durch bauliche Maßnahmen "für eine bessere Durchlüftung der Stadt" sorgen. Jetzt gehe es darum, nach differenzierten Lösungen zu suchen. Messstationen müssten differenzierter sein, Kommunen müssten entsprechende Fahrzeuge für den Nahverkehr zur Verfügung stellen.
Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt äußerte sich ähnlich. Er begrüßte, dass ein generelles Fahrverbot nicht notwendig sei, sagte der CSU-Landesgruppenchef vor der Unionsfraktionssitzung. Jetzt brauche es intelligente Erststeuerungsmaßnahmen in den Städten. Spezifische Maßnahmen müsste in den Regionen nun ergriffen werden. "Die Konzepte müssen in der Stadt vorgenommen werden."
Grünen-Politiker Cem Özdemir rief die Bundesregierung und die Autoindustrie auf, ihrer Verantwortung für Verbraucherschutz und Menschen in den betroffenen Städten nachzukommen. "Es braucht endlich ein ernst gemeintes, wirksames und verbindliches Nachrüstprogramm der Hersteller, das seinen Namen auch verdient", forderte er.
Zudem drohe bei der Umsetzung des Urteils ein "unübersichtlicher Wirrwarr". Mit einer "blauen Plakette" für relativ saubere Autos könne der Bund den Ländern und Städten ein "wirksames und einheitliches Instrument" an die Hand geben. "Wir werden den zuständigen Bundesminister (Christian) Schmidt dazu morgen im Verkehrsausschuss befragen", kündigte Özdemir an.
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