Berlin. Lange Jahre war die klassische Stabantenne das Symbol für Radioempfang im Auto. Wer es sich leisten konnte, verbaute gerne auch die Automatikvariante, die sich selbstständig beim Einschalten des Radios in die Luft bohrte. Daneben erlangte der silbern glänzende Empfangsstab auch als Halterung für den legendären Fuchsschwanz eine gewisse Berühmtheit.
Heute sieht man die langen Teleskopantennen nur noch bei älteren Fahrzeugen, denn die Empfangstechnik ist mittlerweile so weit, dass deutlich kürzere Bauformen ausreichen. «Die Antennen selbst sind auch empfindlicher geworden, und die Elektronik dahinter ermöglicht es, mit kleinen Empfängern auszukommen», erläutert Roland Stehle von der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu).
Dabei müssen Antennen sogar deutlich mehr können. «Die langen Stäbe waren nur für den Radioempfang, die kleinen 'Pickel' sind Antennensysteme auch für Mobilfunk und Navigation», sagt Michael Heise, Geschäftsführer von Kathrein Automotive, und meint die auch als «Haifischflossen» bezeichneten Erhebungen auf vielen Autodächern, die mitunter auch aus Designgründen dort platziert werden. Denn nicht sichtbare Antennen sind heute keine Seltenheit mehr.
«Aus technischer Sicht gilt grundsätzlich, dass eine Antenne optimal funktioniert, wenn ausreichend Platz vorhanden ist», sagt Heise. Den suchen und finden die Automobilhersteller zunehmend an Stellen, an denen die Antenne mehr oder weniger unsichtbar verbaut werden kann, beispielsweise als Scheibenantenne. «Die Leistung einer Scheibenantenne ist mindestens mit der einer Stabantenne vergleichbar, da mehrere Antennen in der Scheibe zu einem Mehrfachantennen-System verbunden werden», sagt Heise.
Dank neuer Technologien und Materialien gibt es inzwischen auch Systeme, die in die Spiegelgehäuse integriert werden. Genutzt werden für den Radioempfang auch die Heizdrähte der Heckscheibenheizung. Die gern in Spiegeln verbauten Folienantennen haben zudem den Vorteil, dass sie beliebig formbar, flexibel und flach sind.
Die Empfangseigenschaften dieser neuen Systeme sind keineswegs schlechter, auch nicht bei höheren Geschwindigkeiten, wie oftmals vermutet wird. «Technisch ist die Qualität des Radioempfangs unabhängig von der gefahrenen Geschwindigkeit. Der Eindruck des schlechteren Empfangs ist durch zunehmend lautere Fahrgeräusche begründet», erklärt Heise.
Der UKW-Empfang ist dabei nur ein Teil des Anforderungsprofils. «Wir kommunizieren heute über deutlich mehr Frequenzbereiche mit hoch differenzierten Funktionen: Neben dem klassischen Radio habe ich heute UMTS- oder gar LTE-Netz-taugliche Telekommunikationssysteme an Bord», erläutert Josef Schloßmacher von Audi. WLAN-Netze im Auto seien heute bereits Realität. Auch der Fernsehempfang ist über die integrierten Antennen möglich.
Daneben sind viele Fahrzeuge ab Werk für den Digitalradio-Standard DAB-T vorbereitet, für dessen Empfang eine Antenne für UKW oder Mittelwelle nicht ausreicht. Der Vorteil für den Autofahrer liegt in einem Plus an Informationen, denn neben Musik und Sprache können über das DAB-T auch Infos etwa über Verkehrsbehinderungen oder andere aktuelle Ereignisse übertragen werden.
Die Digitalisierung sorgt dafür, dass der Grad der Vernetzung im Auto noch weiter ansteigen wird und damit auch die Anforderung an die Antennen. «Anwendungen für die Fahrzeugvernetzung 'Car-to-car' oder 'Car-to-Infrastructure' setzen bereits auf neue Frequenzbereiche», weiß Heise. Die Antennen selbst müssen darauf abgestimmt werden und decken damit immer größere Bereiche ab. «Zusätzlich ermöglichen die neuen Telefonfrequenzen für 4G (LTE) und zukünftig auch 5G weitere Dienste für Fahrzeuge in der vernetzten Welt», so Heise.
Konkrete Anwendungsgebiete für die Kommunikation via Antenne zwischen zwei Fahrzeugen sieht Audi-Mann Schloßmacher beispielsweise bei der Sicherheit im Straßenverkehr: «Kommt ein Fahrzeug auf einer Eisplatte ins Rutschen, kann es nachfolgende Verkehrsteilnehmer vollautomatisch über die Gefahr warnen. Diese erhalten dann einen Hinweis direkt in ihre Navigationssysteme eingespielt.»
Je komplexer die Empfangstechnik fürs Auto wird, desto schwieriger wird es auch, sein Fahrzeug nachzurüsten. «Eine Antenne für das Digitalradio lässt sich nachrüsten, die von den Herstellern ab Werk angebotenen Antennen sind aber erste Wahl», rät Stehle. Über diese Systeme seien in aller Regel die besten Empfangsergebnisse zu erzielen. Auch finanziell lohnt sich der Umbau kaum. «Ein Nachrüsten von Antennen ist meist kostenintensiv und teilweise aufgrund spezieller Fahrzeugausstattungen nicht möglich», sagt Heise. Denn vielfach werde in neuen Fahrzeugen das Nachrüsten durch die fahrzeuginterne Vernetzung der Bordsysteme erschwert.
Die Entwicklung hin zu komplexeren Entertainmentsystemen und weg vom einfachen Radio hat sich auch massiv auf den Zubehörhandel ausgewirkt. «Wie bei der Nachrüstung von Autoradios generell ist auch der nachträgliche Einbau von Antennen stark rückläufig», sagt Stehle. Genaue Zahlen über den Verkauf von Antennen habe er zwar nicht, aber allein der Umsatz von Autoradios beispielsweise sei von 2004 bis 2014 um 80 Prozent zurückgegangen. (dpa/gem)