Wolfsburg/Hannover. Qua Amt ist Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil Mitglied des mächtigen VW-Aufsichtsrates. Drei Wochen nach dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals schließt er für den Neustart weitere personelle Konsequenzen nicht aus - und fordert ein konzernweites Umdenken.
Herr Weil, welche Fehler sind vor der Krise bei VW gemacht worden, welche Fehler hat auch der Aufsichtsrat gemacht?
Zu der Frage, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht worden sind, gibt es einen umfangreichen Aufklärungsprozess, dem kann und möchte ich nicht vorgreifen. Olaf Lies (niedersächsischer Wirtschaftsminister, SPD) und ich haben erst aus den Medien von den Manipulationsvorwürfen erfahren - und wir hatten auch zuvor keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten. Der Aufsichtsrat hat sich seitdem die Aufklärung mit hoher Konsequenz zur Aufgabe gemacht.
Ist ein solcher Weltkonzern überhaupt fehlerfrei zu führen?
Fehler passieren in allen großen Institutionen, problematisch aber ist bewusstes Fehlverhalten. Mit Fehlern muss man klug und besonnen umgehen, darf sie nicht verschweigen, sondern muss die Ursachen angehen und die Folgen beseitigen.
Bei VW habe ein "Klima der Angst" geherrscht, heißt es jetzt aus dem Unternehmen. Warum konnte es so weit kommen?
Ich bin nicht sicher, ob die These zutrifft, aber es besteht sicher Handlungsbedarf im Hinblick auf die Organisationskultur.
Rechnen Sie noch mit weiteren personellen Konsequenzen?
Antwort: Das hängt von den Ergebnissen des Aufklärungsprozesses ab.
Wie genau muss der propagierte Kulturwandel bei VW aussehen?
Zu den Grundelementen zählen aus meiner Sicht ein offenerer Umgang mit Problemen und Fehlern, ein vorbehaltloses Einhalten hoher Qualitäts- und Umweltstandards und eine strikte Beachtung der Gesetze. Diese Grundsätze müssen alle Teile des Konzerns leben.
Der neue Vorstandschef Matthias Müller hat sinngemäß bereits von schmerzlichen Einschnitten gesprochen. Fürchten Sie um Jobs?
Wir müssen jetzt zunächst abwarten, wie sich die Absatzzahlen von Volkswagen weiter entwickeln. Matthias Müller hat zugesagt, alles daran zu setzen, dass Volkswagen auch in Zukunft für gute und sichere Arbeitsplätze steht.
Inwiefern ist die Krise für VW nun auch eine Chance, richtig in alternative Antriebe zu gehen?
Ich sehe durchaus auch Chancen, so schmerzhaft der Prozess jetzt auch ist. Der Konzern muss sich ohne Wenn und Aber zu einer unbedingten Einhaltung von Umweltstandards verpflichten, dies gilt aber für alle Antriebsarten. Die Entwicklung von alternativen Antrieben wird schon bislang bei VW sehr engagiert betrieben, das wird sicher konsequent weitergeführt.
Was ist Ihr ganz persönliches Fazit der drei Krisen-Wochen?
Dies ist sicher eine besondere Herausforderung. Zwei so große Baustellen wie die Abgas-Affäre und die hohen Flüchtlingszahlen und nebenbei noch die normale Regierungstätigkeit - das alles beschäftigt mich schon fast rund um die Uhr. Deshalb habe ich auch die für Oktober geplante Delegationsreise nach Südafrika abgesagt.
Komplettieren Sie bitte diesen Satz: Matthias Müller ist der richtige Mann in der Krise, weil ...
... er den Konzern mit all seinen Stärken und Schwächen sehr gut kennt und bestens geeignet ist, VW möglichst rasch aus dieser Krise herauszuführen.
Und der neue Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch ist der richtige Mann in der Krise, weil ...
... er ruhig und besonnen ist, große Erfahrungen und strategischen Weitblick besitzt.
VW soll nach Ansicht von Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) auch für mögliche Steuerschäden aufkommen. Kunden hätten für Dieselautos mit niedrigen Abgaswerten zu wenig Kfz-Steuer bezahlt - was hält Niedersachsen davon?
Diese und eine Vielzahl anderer Fragen werden sicher geprüft werden - in aller Sorgfalt und zu gegebener Zeit.
(dpa/ruc)